Der Mann aus Israel (German Edition)
für
die Kartoffeln nennt. Ob sie ihn nicht verstanden hat? Kann sie immer noch kein
hebräisch, obwohl schon Jahrzehnte hier? Das wäre keine Seltenheit. Das
Hebräisch des Händlers klingt melodiös und weich, hat nicht die übliche kantige
Schroffheit, die oft so abweisend wirkt. Er hat glänzendes schwarzes Haar. Es
wächst ihm auch in dicken Büscheln aus dem Hemd heraus, das er offen trägt. „Wo
kommst Du her?“ frage ich ihn. „ Mi timan“, lacht er mich an. „aus dem
Jemen. Aber ich habe schon hier meine Bar Mizwa gefeiert.“ Er pfeift
vergnügt, während er der steifen Lady die Kartoffeln zeigt. „Du kennst den
Jemen? Kennst Du Habban?“ Er freut sich, als ich nicke und schon habe ich ein
Glas Tee in der Hand. Er schließt verträumt die Augen, als er mir von Habban,
der Stadt, in der er geboren ist, erzählt. In seiner Erinnerung ist es noch
immer die stolze Stadt auf dem Hügel, die Wehrturmhäuser aus Stampflehm gehegt
und gepflegt, die Mesusa an jeder Tür, die Synagoge in Betrieb und die
Männer emsig an ihren Silberschmuckstücken arbeitend. Ich sage ihm nicht, dass
heute in Habban alle Spuren der einstigen Bewohner getilgt, die Mesusen von
den Torpfosten gerissen, die Silberschmieden geschlossen, die Straßen voll
westlichen Unrats und viele Häuser heruntergekommen und verwahrlost sind. Er
schenkt mir eine Kartoffel und eine Aubergine zum Abschied, und ich wandere
weiter durch das babylonische Völkergemisch.
„He, Elisabeth! Elisabeth!“ Ich drehe mich um, um zu
schauen, wer da so hocherfreut nach mir ruft und lande in den Armen von
Ibrahim. „Komm’“, sagt mein alter Freund. „ich lade Dich zum Frühstück ein.“ Er
schubst mich in einen winzigen Raum mit zwei Tischchen und ein paar Stühlen.
Sie sind besetzt, der ganze Laden ist gestopft voll von Menschen, die Falafel kauen und mit Pita- Brot Humus aus kleinen Schalen löffeln. „Das
ist mein Geschäft.“ sagt Ibrahim voller Stolz und komplimentiert zwei Männer
aus ihren Stühlen, damit wir beide uns setzen können.
„Bist Du nicht mehr am Damaskus-Tor?“ frage ich ihn.
„Ach, Damaskus-Tor.“ antwortet er abfällig. „Nur Probleme
da, viel Polizei, endloser Verkehr und die Leute.“ Er deutet mit dem Daumen
nach unten. „Ich bin jetzt hier. Das ist prima. Nicht gefährlich, viele
hungrige Menschen. Und mittags ist Schluss.“ Wir schauen uns in die Augen und
fangen an zu lachen. „Machst Du immer noch diese blöden Scherben zusammen?“
fragt er mich. Ich grinse bejahend.
„Und Du, Ibrahim, drehst jeden Tag Hunderte von Falafel- Knödel.“
„Oh nein, chabibti , das macht meine Frau. Sie steht
um drei Uhr morgens auf, damit meine Ware pünktlich fertig ist, wenn der Markt
beginnt.“ Er lacht aus vollem Hals.
„Geht’s Dir gut Ibrahim?“ Eigentlich bräuchte ich nicht zu
fragen. Er ist kugelrund geworden, seine Augen glänzen und sein Lachen ist
immer noch ansteckend. Für Ibrahim war das Leben immer ein einziger Spaß. „Geht
Dir die Archäologie nicht ab? Ich meine, wenigstens manchmal. Sag’ doch
ehrlich.“ bohre ich.
„Abgehen? Du bist verrückt! Elisabeth. Nicht um alles in der
Welt, würde ich in die Lehmgruben zurückgehen und im Boden graben. Das ist
nutzlos. Damit kann ich kein Paar Schuhe kaufen. Das hier macht alle satt.“ Er
zeigt auf seine Verkaufsbude. Er hat ja recht. Aber dennoch. Er war einer der
besten im Seminar gewesen, der einzige Araber, der zugelassen war in der ganzen
Fakultät, beäugt und kontrolliert von allen Seiten. Aber Ibrahim war so brillant
in unserem Fach, dass ihm keine Gefahr drohte. Eines Tages stürmte er dann zur
Seminar-Tür herein, schob mit einer Handbewegung meine mühsam zusammengefügten
Keramikfragmente an den Rand des Tisches, damit er sich auf ihn setzen konnte.
„Ich hänge das Studium an den Nagel.“ verkündete er. „Ich habe gerade ein Lokal
eröffnet. Ich werde die besten Falafel und den leckersten Humus in
der ganzen Stadt servieren.“ Er schnalzte mit dem Finger. „Ich werde viel, viel
Geld verdienen, Elisabeth, während Du irgendwann einmal aussehen wirst wie
Deine Keramik. Armselig und tot.“ Er deutete auf meinen Schreibtisch mit den
winzigen Scherben.
Alles Reden nützte nichts, es blieb dabei. Ibrahim stieg
kurz vor Abschluss seiner Doktorarbeit aus. Die Quellenlage zur Religion der
Phönizier, unter besonderer Berücksichtigung der Götterdienste der heidnischen
Israeliten, der Karthager, Syrer, Babylonier und Ägypter blieb
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