Der Mann aus Israel (German Edition)
Elisabeth.“ Sein nasser Mund ist ganz nah an meinem
Ohr. „Ich will Dich. Ich will Dich so. Keinen anderen Gedanken habe ich mehr im
Kopf. Deine Brüste will ich berühren, Deine Schenkel, ich will hinein zu Dir,
tief, ganz tief. Ich will Dir die Besinnung rauben, Elisabeth, ich will Dich
besitzen. Ich. Nur noch ich. Keiner außer mir soll Dich je mehr haben.“ Seine
Stimme ist heiser. „Du machst mich zum Tier, Elisabeth, zum brünstigen
Minotaurus.“ Er schiebt mich abrupt von sich und starrt mich mit roten Augen
an. Sein Gesicht ist von Schweiß bedeckt. „Ich habe die Kontrolle über mich verloren.
Das ist nicht gut.“ Seine Hände krallen sich in meine Arme, so fest, dass es
schmerzt. Plötzlich lässt er mich los.
„Sei in fünf Minuten in der Halle.“ befiehlt er. „Sonst
fahre ich ohne Dich.“ Die Lifttüre schließt sich vor ihm.
Was ziehe ich nur an? denke ich aufgeregt. Was trägt man bei
einer Schiwa ? Ich zerre eine schwarze Hose aus dem Schrank und schlüpfe
schnell hinein. Schwarz ist gut, überlege ich. Damit mache ich bestimmt nichts
verkehrt. Ich stülpe mir ein langärmliges schwarzes Hemd über, rase ins Bad,
kämme die Haare streng nach hinten, male die Lippen dunkellila an und stehe
schon wieder im Lift.
In der Halle sehe ich Raffael nirgends. Ich gehe hinaus in
die Einfahrt und blicke suchend umher. Der Platz ist leer. Ich spüre einen
scharfen Stich im Kopf und begreife, dass er ohne mich gefahren ist. Mein Magen
krampft sich zusammen. Als mir schwindlig wird, merke ich, dass ich nicht atme.
Ich japse nach Luft. Das ist das Ende, schreit es in mir, er ist ohne zu warten
gefahren. Er hat Schluss gemacht.
Ich mache kehrt, um zurück ins Hotel zu gehen. Da plötzlich
sehe ich ihn, wie er mit verschränkten Armen an einer Mauer lehnt und auf die
marmornen Platten des Fußbodens starrt. Neben ihm steht ein rotsilbernes
Motorrad. In dem Moment, als ich ihn erblicke, schaut er auf und winkt mir zu.
„Komm, meine Tulpe“, ruft er mir zu. „steig' auf.“
„Auf das da?“ rufe ich erstaunt. „Du hast ein Motorrad?“ Ich
bin begeistert und klettere sofort auf den Hintersitz.
„Ich habe gar nichts. Kapiere das doch endlich.“ sagt er und
lässt den Motor an. „Es gehört meinem Sohn. Ich darf es benutzen, solange er in
Amerika ist.“
Seine Bitterkeit tut so weh. Wenn wir erst für immer
zusammen sind, wird sie langsam verschwinden. Das muss mein Ziel sein. Ich
werde den nagenden Verdruss aus seinem Herzen verscheuchen. Mit mir an seiner
Seite wird er es lernen, wieder ausgelassen und leichtlebig zu sein, seinen bezaubernden
Charme, den Otto Guttman so vermisst, wiederzufinden. Ich schlinge meine
Arme um ihn und lege meinen Kopf auf seinen Rücken. Warum nur habe ich so
überspitzt reagiert und diese Hitlerzionisten erwähnt? Das war geschmacklos und
unnötig. „Sorry, wegen vorhin, Raffael.“ schreie ich ihm ins Ohr. Als Antwort beißt
er mich leicht in die Finger. Ich zwicke ihn in die linke Pobacke, er steuert
das Motorrad scharf um eine Linkskurve. Beinahe falle ich herunter, ich schreie
laut auf und halte ihn ganz fest. Wir fahren lachend durch das abendliche
Jerusalem. Der Wind ist warm und zerzaust meine Haare, es ist herrlich. Ich
liebe ihn. Und ich weiß, er wird mich bitten, hier bei ihm zu bleiben.
Zuallererst werde ich ihm ein Motorrad kaufen, beschließe
ich. Ja, das ist eine gute Idee. Aber kein japanisches Billigmodell wie das
seines Sohnes. Es wird eine BMW sein.
Wir halten im Bucharischen Viertel vor einem großen Haus aus
bossierten Kalksteinblöcken. Eine Freitreppe mit Säulen an den Seiten führt zum
Eingang. Die schwere Holztüre steht offen.
„Ich weiß wirklich nicht, was Du Dir davon versprichst.“
sagt Raffael und steckt den Motorradschlüssel in die Tasche. „Für mich ist es
eine lästige Pflicht, und Du reißt Dich darum, mitzukommen.“ Er zieht eine Kippa, eine Gebetskappe, aus der Hose, setzt sie auf seinen Hinterkopf und klemmt sie
mit einer Spange an seinem Haar fest.
Wir steigen die Treppen hinauf und betreten das Haus. In der
Halle ist es finster, die großen Spiegel sind mit schwarzen Tüchern verhängt.
„Wessen Haus ist das?“ frage ich.
„Tante Idas, natürlich.“ antwortet er kurz. „Die Schiwa findet
immer im Hause des Verstorbenen statt.“ Er mustert mich mit einem scharfen
Blick. „Wundere Dich nicht, wenn die feinen Pinkel dieser alten Jecken -Familie
ein wenig schmuddelig und ungepflegt aussehen. Sie haben seit
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