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Der Mann Aus St. Petersburg: Roman

Der Mann Aus St. Petersburg: Roman

Titel: Der Mann Aus St. Petersburg: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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bist du so einsam, warum lebst du allein?
    Hast du keine Kinder, und hast du kein Heim?
    Ich hat!’ einen Schatz, viel Jahre ist’s her,
    Nun höre, mein Kind, bald sag’ ich dir mehr;
    Wir waren so glücklich bei Wein und Gesang
    Und ich hielt sie für treulos, als die Ballnacht verklang.
    Das hohlköpfige, sentimentale Lied brachte Felix wieder zum Weinen, und er verließ die Kneipe, ohne ein Bier bestellt zu haben.
    Er radelte davon, ließ das Gelächter und die Musik hinter sich. Diese Fröhlichkeit war nichts für ihn, war es nie gewesen, würde es nie sein. Er fuhr zu seinem Mietshaus zurück und trug sein Fahrrad die Treppen hinauf, bis zur Dachbodenetage. In seinem Zimmer nahm er Hut und Mantel ab und legte sich auf das Bett. In zwei Tagen würde er sie wiedersehen. Sie würden sich gemeinsam die Gemälde anschauen. Vorher würde er in die öffentliche Badeanstalt gehen. Er rieb sich das Kinn. Auch in zwei Tagen würde sein Bart noch nicht gepflegt aussehen. Er versetzte sich in den Augenblick zurück, als sie aus dem Haus getreten war. Er hatte sie von weitem gesehen, ohne zu ahnen, daß …
    Woran habe ich in diesem Augenblick gedacht? überlegte er. Und dann fiel es ihm ein.
    Ich fragte mich, ob sie wohl weiß, wo Orlow sich aufhält.
    Ich habe während des ganzen Nachmittags nicht ein einziges Mal an Orlow gedacht.
    Höchstwahrscheinlich weiß sie, wo er ist, und falls nicht, könnte sie es herausfinden.
    Ich könnte mir ihre Hilfe zunutze machen, um ihn zu töten. Bin ich dessen fähig?
    Nein, ich bin es nicht. Ich werde es nicht tun. Nein, nein, nein! Was ist bloß mit mir los?
    *
    Waiden sah Churchill auf der Admiralität um zwölf Uhr mittags. Der Marineminister war beeindruckt. »Thrazien«, sagte er. »Natürlich können wir ihnen die Hälfte Thraziens geben. Wer schert sich schon darum? Meinetwegen sollen sie ganz Thrazien haben.«
    »Das hatte ich mir auch gedacht«, sagte Waiden. Er war erfreut über Churchills Reaktion. »Werden Ihre Kollegen jetzt einverstanden sein?«
    »Das möchte ich glauben«, sagte Churchill nachdenklich. »Ich werde nach dem Mittagessen mit Grey reden, und heute abend mit Asquith.«
    »Und das Kabinett?« Waiden wollte kein Geschäft mit Alex abschließen, gegen das dann das Kabinett sein Veto einlegte.
    »Morgen früh.«
    Waiden erhob sich. »Dann kann ich also planen, morgen am Spätnachmittag nach Norfolk zurückzufahren.«
    »Ausgezeichnet. Hat man übrigens schon diesen verdammten Anarchisten geschnappt?«
    »Ich treffe mich mit Basil Thomson von der Sonderabteilung zum Lunch. Dann werde ich es wissen.«
    »Halten Sie mich auf dem laufenden.«
    »Natürlich.«
    »Und vielen Dank noch. Für diesen Vorschlag, meine ich.« Churchill blickte verträumt aus dem Fenster. »Thrazien!« murmelte er vor sich hin. »Wer hat je davon gehört?«
    Waiden überließ ihn seinen Gedanken.
    Er war in Hochstimmung, als er von der Admiralität in seinen Club in der Pall Mall ging. Meistens aß er daheim zu Mittag, aber er wollte Lydia nicht mit Leuten von der Polizei belästigen, besonders nicht jetzt, da sie eine ihrer seltsamen Launen hatte. Zweifellos war sie ebenso wie er um Alex besorgt. Der Junge war schließlich fast wie ein Sohn für sie, und falls ihm etwas zustieße.
    Er ging die Stufen zu seinem Club hinauf, trat ein und übergab seinen Hut und seine Handschuhe einem Diener.
    »Welch herrliches Sommerwetter, Eure Lordschaft«, sagte der Mann.
    Das Wetter war seit Monaten bemerkenswert schön gewesen, stellte Waiden fest, als er in den Speisesaal hinaufging. Wenn es einmal umschlägt, wird es wahrscheinlich Gewitter geben. Blitz und Donner im August, dachte er.
    Thomson wartete bereits. Er sah ziemlich selbstzufrieden aus. Mir fiele ein Stein vom Herzen, wenn er den Mörder geschnappt hätte, dachte Waiden. Sie schüttelten sich die Hände, und Waiden setzte sich. Ein Kellner brachte die Menükarte.
    »Nun?« fragte Waiden. »Haben Sie ihn?«
    »Fast«, erwiderte Thomson.
    Das bedeutet ›nein‹, stellte Waiden ernüchtert fest.
    »Ach, verdammt«, sagte er.
    Der Weinkellner kam. Waiden fragte Thomson:
    »Möchten Sie einen Cocktail?«
    »Nein, danke.«
    Waiden stimmte ihm zu. Cocktails waren eine amerikanische Unsitte. »Vielleicht ein Glas Sherry?«
    »Ja, bitte.«
    »Zwei«, sagte Waiden zum Kellner.
    Sie bestellten Braune Windsor-Suppe und gekochten Lachs, und Waiden wählte eine Flasche Rheinwein dazu.
    Waiden begann: »Sie müssen wissen, daß es für mich

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