Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann Aus St. Petersburg: Roman

Der Mann Aus St. Petersburg: Roman

Titel: Der Mann Aus St. Petersburg: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
Fenster wurde geöffnet, und eine Stimme rief: »Wer ist da?«
    Eine andere Stimme antwortete: »Polizei, Sonderabteilung von Scotland Yard.«
    »Einen Augenblick bitte.«
    Felix lag mäuschenstill. Er hörte die Schritte des Mannes, der aus dem Wagen gestiegen war und nun ungeduldig auf und ab ging. Eine Tür wurde geöffnet, ein Hund bellte, und eine Stimme rief: »Ruhe, Rex!«
    Felix hielt den Atem an. War der Hund an der Leine?
    Würde er Felix riechen? Würde er den Graben entlang schnüffeln, ihn finden und dann bellen?
    Die Eisentore öffneten sich quietschend. Der Hund bellte wieder. Die Stimme sagte: »Gib endlich Ruhe, Rex!«
    Eine Wagentür schlug zu, und das Auto bog in die Auffahrt ein. Es war wieder finster im Graben. Falls der Hund mich jetzt findet, überlegte Felix, kann ich ihn und den Pförtner töten und wegrennen …
    Er spannte alle Muskeln an, bereit aufzuspringen, sobald er ein Schnüffeln in der Nähe hörte.
    Die Tore schlossen sich quietschend.
    Einen Augenblick später wurde die Tür zum Pförtnerhaus mit lautem Krachen zugeschlagen. Der Hund war still.
    Felix atmete auf. Kurze Zeit später verließ er seine Deckung.

14
    C harlotte erwachte um sechs Uhr. Sie hatte die Vorhänge ihrer Schlafzimmerfenster zurückgezogen, damit die ersten Sonnenstrahlen sie aus dem Schlaf weckten. Das war ein Trick, den sie schon vor Jahren angewandt hatte, wenn Belinda bei ihnen übernachtete. Die beiden Mädchen tollten gern im Haus herum, während die Erwachsenen noch in ihren Betten lagen und sie nicht ermahnen konnten, sich wie junge Damen zu benehmen.
    Ihr erster Gedanke galt Felix. Sie hatten ihn nicht gefaßt – er war so schlau und geschickt! Heute erwartete er sie bestimmt im Wald. Sie sprang aus dem Bett und blickte aus dem Fenster. Das Wetter war noch nicht umgeschlagen. Er hatte also die Nacht im Trockenen verbracht.
    Sie wusch sich in kaltem Wasser, zog sich rasch einen langen Rock, Reitstiefel und eine Jacke an. Einen Hut trug sie nie, wenn sie frühmorgens ausritt.
    Leise ging sie hinunter. Niemand war zu sehen. Wahrscheinlich befand sich eine Magd in der Küche, um Feuer zu machen und Wasser zu wärmen, aber die übrige Dienerschaft schlief bestimmt noch. Sie trat aus der südlichen Eingangstür und stieß auf einen großen Polizisten in Uniform.
    »Du meine Güte!« rief sie aus. »Wer sind denn Sie?«
    »Polizeiwachtmeister Stevenson, Miß.«
    Er nannte sie Miß, weil er nicht wußte, wer sie war. »Ich bin Charlotte Waiden«, sagte sie.
    »Ich bitte um Verzeihung, gnädiges Fräulein.«
    »Schon gut. Was tun Sie hier?« »Ich bewache das Haus, gnädiges Fräulein.«
    »Ach ja, Sie bewachen den Fürsten, wollen Sie sagen. Wie beruhigend. Und wie viele Kollegen haben Sie?«
    »Einen draußen und vier drinnen. Die im Haus sind bewaffnet. Aber später kommen noch viel mehr.«
    »Wozu?«
    »Große Suchaktion, gnädiges Fräulein. Wie ich hörte, sollen noch hundertfünfzig Mann gegen neun hier ankommen. Wir schnappen uns diesen Anarchisten – da brauchen Sie keine Angst zu haben.«
    »Das ist ja wunderbar.«
    »Wollten Sie ausreiten, gnädiges Fräulein? Das würde ich an Ihrer Stelle lieber nicht tun. Heute nicht.«
    »Gut, ich lasse es lieber bleiben«, log Charlotte.
    Sie entfernte sich und ging um den östlichen Flügel des Hauses herum zum hinteren Hof. Niemand war zu sehen. Sie begab sich in die Stallungen zu ihrer Stute Spats, die so genannt wurde, weil sie weiße Flecke auf den Vorderbeinen hatte, die wie Gamaschen aussahen. Sie sprach zu ihr, streichelte ihr die Nase und gab ihr einen Apfel. Dann sattelte sie das Pferd, führte es aus dem Stall und stieg auf.
    Sie ritt von der Hinterfront des Hauses fort und machte einen großen Bogen um den Park, um von dem Polizisten nicht gehört oder gesehen zu werden. Sie galoppierte über die westliche Weide und war mit einem Sprung über den Zaun im Wald. Im Schritt ließ sie Spats durch die Bäume gehen, bis sie zum Reitweg gelangte, dann ließ sie sie traben.
    Es war kühl im Wald. Die Eichen und Birken standen in vollem Laub und überschatteten den Pfad. Wo die Sonnenstrahlen durchdrangen, dampfte der Tau auf dem Boden. Charlotte fühlte ihre angenehme Wärme. Die Vögel zwitscherten laut.
    Sie überlegte: Was kann er gegen hundertfünfzig Mann ausrichten? Sein Plan war jetzt unmöglich geworden. Alex war zu gut bewacht, die Jagd auf Felix zu gut organisiert. Aber sie konnte ihn immerhin warnen.
    Sie gelangte an das andere Ende des Waldes,

Weitere Kostenlose Bücher