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Der Mann, der den Regen träumt

Der Mann, der den Regen träumt

Titel: Der Mann, der den Regen träumt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Al Shaw
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Störung. Dann drehte er sich um und eilte die Treppe hinunter.
    »Warte!«
    Er drehte sich hoffnungsvoll um.
    »In der Sankt-Erasmus-Kirche?«
    Er nickte.
    Elsa grinste. »Fünf Minuten.«
    Sie schloss die Tür und rannte zu ihrem Kleiderschrank. Als Erstes fielen ihr die Geschenke ihrer Mutter ins Auge, die dort noch immer eingepackt und in ihrer Plastiktüte lagen, vergessen in der hölzernen Dunkelheit. Sie verdrängte das schlechte Gewissen, das sie beim Anblick des sorgfältig verklebten Papiers überkam, aber öffnen wollte sie sie noch immer nicht.
    Dann also Kirche. Sie war schon lange in keiner mehr gewesen. Die Gottesdienste, zu denen ihre Mutter sie jedes Mal mitschleifte, wenn einer ihrer Besuche zu Hause sich über einen Sonntag erstreckte, konnte sie nicht ausstehen. Die Art, wie die Gemeinde beim Singen die Hände in die Luft reckte und die in vermeintlicher Qual verzerrten Gesichter erfüllten sie mit Befangenheit, obwohl ihr die Vorstellung gefiel, dass Gott wie ein Blitz war und die Menschen die Hände emporreckten, um von ihm getroffen zu werden. Sie hoffte, der Gottesdienst in der Sankt-Erasmus-Kirche, diesem riesenhaften, den Elementen trotzenden Dom, würde anders sein.
    Sie würde sich herausputzen müssen, so wie Kenneth. Das Einzige, was dafür infrage kam, war ihr Büro-Outfit, bestehend aus Rock und Bluse, und Elsa zog es nur widerstrebend an, weil es sich so anfühlte, als hätte die Arbeitswoche einen Tag zu früh angefangen. Sie band sich die Haare zurück, um die Tatsache zu verbergen, dass sie sie nicht gewaschen hatte, und eilte dann die Treppe hinunter, wo sie in ihre ungeputzten schwarzen Schuhe stieg. Kenneth wartete im Garten vor dem Haus auf sie und pfiff eine Melodie, die sie halb erkannte. Aus Richtung der Kirche drang dumpfes Glockengeläut zu ihnen herüber. Sie hakte sich bei Kenneth unter und sie machten sich auf den Weg.
    »Daniel Fossiter war heute Morgen hier, als du noch geschlafen hast«, bemerkte er, während sie gingen.
    »Warum? Ich meine, seid ihr zwei befreundet oder so?«
    »Eigentlich nicht, nein, obwohl wir ganz gut miteinander auskommen. Aber heute Morgen wollte er dich sprechen. Er meinte, er hätte gehört, dass ich einen Gast habe. Und dass du Amerikanerin bist. Er wollte später wiederkommen, aber vielleicht triffst du ihn ja auch gleich in der Kirche.«
    »Das ist alles? Ein reiner Höflichkeitsbesuch?«
    »Ja. Wahrscheinlich.«
    Sie verließen die Prospect Street und bogen in die Bradawl Alley ein, wo die Hauswände bis zu einer bestimmten Höhe grün verfärbt waren, wie eine Gezeitenmarke, und das Pflaster sich alle paar Schritte zu holprigen Stufen absenkte.
    »Komisch. Ich hätte nicht gedacht, dass er der Typ für so was ist.«
    Kenneth runzelte die Stirn. »Du denkst immer noch an den Hund, den er getötet hat. Ich finde, dafür solltest du ihn nicht zu hart verurteilen. Daniel ist ein anständiger, zuverlässiger Mann. Da gibt es in Thunderstown viel Schlimmere als ihn.«
    »Das klingt ja nicht sehr verheißungsvoll.«
    Er gluckste. »Warte nur, bis du ein paar Leute aus meinem Chor siehst. Ich fürchte, die Bewohner von Thunderstown haben gute Gründe dafür, so zu sein, wie sie sind. Gut, ein paar von den Sachen, an die sie glauben, sind wirklich völliger Unsinn, aber anderen liegen reale und sehr schmerzhafte Erinnerungen zugrunde. Eine ganze Menge der Leute hier sind alt genug, um sich an die schreckliche Überflutung zu erinnern, die die Minen zerstört hat, und viele von ihnen haben an diesem Tag geliebte Menschen verloren. Für sie ist es wichtig zu wissen, dass ein Bergjäger da ist, der sie vor dem Wetter beschützt.«
    Die Bradawl Alley endete unter einem geschwärzten Steinbogen. Dahinter lag die Corris Street, in der sämtliche Fenster vernagelt waren. Der Glockenturm der Sankt-Erasmus-Kirche ragte über den Schornsteinen empor und das Läuten wurde mit jedem Schritt lauter. Im Hintergrund spähte der Drum Head mit einem einzelnen, schläfrigen Auge auf die Stadt herab.
    »Was, bitte«, wollte Elsa wissen, »könnte Daniel Fossiter denn schon tun, um Thunderstown vor einer weiteren Überflutung zu retten?«
    Kenneth gluckste erneut. »Gar nichts, natürlich, obwohl mir die abergläubischeren Leute da wohl nicht zustimmen würden. Sie hoffen immer noch, dass er eines Tages Old Man Thunder findet.«
    »Was? Wer ist denn Old Man Thunder?«
    Er räusperte sich. »Ein paar Leute machen eine Art Teufel für das verheerende Wetter

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