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Der Mann, der nichts vergessen konnte

Titel: Der Mann, der nichts vergessen konnte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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vertrauen?

    Irgendwie musste er herausfinden, ob sie mehr zu ihm oder zu der Eule stand.
    »Was hältst du davon, wenn wir uns absetzen und die Beale-Chiffren allein knacken?«
    Ihre Miene verriet, wie sehr er sie mit dem Vorschlag überrascht hatte. Gleich darauf mischte sich Unwille unter das Erstaunen. »Man würde uns sowieso schnappen, Tim. Big Brother zu entkommen ist so gut wie unmöglich.«
    »Dann lass mich alleine fliehen.«
    Sie zögerte.
    Hieß ihre Reaktion nun ja? Er machte einen Schritt von ihr weg, dann noch zwei… Ihre Hand schob sich unter Mantel und Jacke.
    Tim erschauerte. Wollte sie etwa ihre Waffe ziehen? Wenn er jetzt klein beigab, würde er nie herausfinden, wer für und wer gegen ihn war. Die Kammer der Erkenntnis hatte alles verändert. Er musste endlich klare Fronten schaffen. »Was geschieht mit mir, wenn meine Arbeit hier vorüber ist? Bist du so etwas wie eine Doppelnullagentin? Hast du die Lizenz zum Töten? Um mich zu liquidieren?«
    Ihre Hand fiel herab. »Ich würde dir nie etwas zuleide tun!«
    Die Antwort schleuderte ihn in unerwartete Turbulenzen. Sie klang wie ein Beweis der Zuneigung. Kaum etwas wünschte er sich mehr als Jamilas Liebe. Aber sagte sie die Wahrheit? Oder führte ihn diese Frau, die sogar einen Lügendetektor austricksen konnte, nur an der Nase herum? »Beweise es mir«, verlangte er.
    »Gerne. Jedoch nicht so, wie du dir das vorstellst, Tim. Wenn du jetzt davonläufst…«
    »Mir will einfach nicht mehr der Lieblingsspruch deines Bosses aus dem Kopf gehen, den du vorhin erwähnt hast«, unterbrach er sie. ›»Wenn du deinen Gegner nicht besiegen kannst, dann lass ihn sich selbst besiegen.‹ Du magst mich für verrückt halten, aber die Kammer der Erkenntnis hat mir die Augen geöffnet. Vielleicht lag es an der Angst, die ich da drin fühlte, oder an der nervlichen Anspannung der letzten Tage und Stunden. Könnte auch alles zusammen gewesen sein.
    Jedenfalls hatte ich einen Flashback. Ich habe das Zitat von Lopez in jener Nacht gehört, als meine Eltern ermordet wurden. Ihr Mörder hat genau dieselben Worte benutzt. Und Tempus fugit hat er auch gesagt. Wie heißt Owl im richtigen Leben, Jamila?«
    Sie biss sich auf die Unterlippe. Er hatte sie überrascht. Es war nicht zu übersehen, welch inneren Kampf sie mit sich ausfocht. Ihm war bewusst, auf seine Frage zu antworten hieße für sie, alle Regeln zu brechen – und Jamila hatte an diesem Tag schon eine Menge davon missachtet.
    Ihre Lippen öffneten sich, sie zögerte und sagte dann doch mit leiser Stimme: »Emil W. Kogan. Wofür das W steht, weiß ich nicht. Aber in seinem Personaldatensatz steht, er stammt aus Linz in Österreich.«
    Tim blinzelte benommen. Er hatte gehofft, dass Jamila sich ihm öffnen würde, aber nun war er doch überrascht. Der deutsch klingende Name sagte ihm nichts, sorgte aber in seinem Geist für ein schwaches Irisieren. Sei endlich zufrieden!, schalt er sich, doch nur, weil bereits neue Zweifel in ihm rumorten. Er fragte sich, ob Jamila ihm diese geheime Information nur anvertraut hatte, weil er nach getaner Arbeit sowieso eliminiert…
    »Was suchen Sie hier?«, sagte unvermittelt eine Stimme hinter ihm.
    Er wandte sich erschrocken um.
    Es war einer der NSA-Agenten, die sie in New Haven am Flugplatz in Empfang genommen hatten. Ein paar Schritte dahinter stand ein zweiter.

    »Wir mussten eine dringende Frage klären, die unsere Operation betrifft«, antwortete Jamila und warf Tim einen beschwörenden Blick zu.
    »Erst mal sollten wir verschwinden. Für Ihre Erörterungen ist später immer noch Zeit.«
    Tempus fugit, hallte es durch Tims Geist. Er wusste jetzt, wann er diese Worte zum ersten Mal gehört hatte. Doch noch waren die verschütteten Erinnerungen nicht gänzlich freigelegt. Vielleicht hatte Jamila ihm soeben zu verstehen gegeben, dass er die Antworten auf die offenen Fragen nur mit ihr gemeinsam finden konnte. Es blieb ihm ohnehin nichts anderes übrig, denn die Chance zur Flucht war vertan.
    »Eins hätte ich gerne noch gewusst«, sagte er zu dem Agenten.
    »Was?«, brummte der.
    Tim hob die Hand, darin lag ein metallisch schimmernder Gegenstand. »Darf ich die schicke NSA-Taschenlampe behalten?«
    Microbrain sah Tim aus wasserblauen Augen mürrisch an.
    Neuerdings erteilte der deutsche Rechenknecht Kommandos, was dem Agenten offenkundig gegen den Strich ging.
    »Tonnenweise Salzstangen, Teebeutel, Rootbeer« – ein schäumendes Gesöff aus Wurzeln und Kräutern mit

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