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Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman

Titel: Der Mann, der niemals schlief: Ein Tom-Sawyer-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon X. Rost
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du willst!«
    Becky schluckte. Tom war auf Becky zugetreten und nun mit seiner Nasenspitze nur einen Fingerbreit von ihrer eigenen entfernt. Sie nickte eifrig. »Gut … Das heißt … Ich überleg’s mir.«
    »Gut.« Tom nickte ebenfalls, ließ den drohenden Zeigefinger wieder sinken und straffte sich, beschämt über seinen Ausbruch. »Du kannst dir noch etwas überlegen, Becky.«
    »Rebecca!«
    »Also gut, dann eben Rebecca!«
    »Ah ja? Und was?«
    »Ob du mit Sid heute Abend zum Essen kommen willst.«
    Becky stutzte, dann erschien ein Lächeln auf ihrem Gesicht. »Du lädst uns ein? Das ist sehr nett von dir, Tom. Wo essen wir? In ›Harold’s Happy Tavern‹? Die Steaks dort sind leider nicht besonders gut, muss ich allerdings sagen.«
    Tom schüttelte den Kopf. »Wir essen bei mir. Bei … uns, bei … Tante Polly. Ich ziehe in Pollys Zimmer, kannst du Sid ausrichten. Also bis heute Abend. So gegen sieben?«
    Tom drehte sich um und betrat die Veranda des ärmlichen Hauses, aus dem die Klaviermusik drang. Von drinnen waren Stimmen zu hören, und der Geruch von Tabak aus Maispfeifen drang hinter dem Vorhang hervor, der anstelle einer Tür als Eingang diente.
    Becky schluckte ihre Überraschung hinunter und rief ihm hinterher. »Aber … was machst du hier überhaupt, Tom? Was willst du denn da drin?«
    Tom drehte sich noch einmal um. »Ich besorg Huck ’nen Arzt. Was sonst?«
    ~~~
    Die Gespräche verstummten augenblicklich, der Klavierspieler brach mitten im Lied ab.
    Ein halbes Dutzend Männer saßen an Tischen oder standen an der Theke. Alle schwarz. Sie hielten im Trinken inne, starrten auf den weißen Mann, der die Kneipe betreten hatte, und auf den Hund, der um dessen Beine herumschwänzelte. Der Rauch ihrer Zigaretten und Pfeifen kräuselte sich zur Decke. Die Stille wurde nur unterbrochen von den fetten Schmeißfliegen, die den Spucknapf umkreisten.
    Tom blinzelte, seine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit. Der Wirt, ein muskulöser Mann in einem weißen Unterhemd, mahlte mit den Kiefern und musterte den Eindringling misstrauisch.
    Tom räusperte sich. Bevor er etwas sagen konnte, hörte er Becky von der Straße rufen. »Du willst mich also hier stehen lassen, ja, Tom Sawyer? Das hast du also vor? Du willst eine Lady einfach hier stehen lassen? Das ist schäbig, und ein echter Gentleman tut so etwas nicht! Aber du bist eben kein Gentleman, und du solltest dich verdammt noch mal schämen! Bis heute Abend also!«
    Durch die Schlitze des Vorhangs sah Tom, wie Becky, die Fäuste geballt, auf der Stelle kehrtmachte und den Weg zurück nach St. Petersburg einschlug. Der Wirt räusperte sich, die anderen Gäste starrten Tom noch immer unverwandt an.
    Tom setzte ein Grinsen auf und hob die Arme. »Tja. So ist sie nun mal.« Er wies mit dem Daumen über seine Schulter. »Becky … Rebecca Thatcher vom St. Petersburg Chronicle . Kennen Sie, oder? Tolle Zeitung, stimmt’s?«
    Tom lächelte jovial in die Runde, aber niemand antwortete ihm. Der Wirt verschränkte die Arme vor der Brust, einer der Gäste stürzte seinen Bitterschnaps hinunter. Toms Lächeln gefror. Er schlenderte zur Bar, sah sich um und beugte sich dann zum Wirt. »Tach.«
    Der Wirt verzog keine Miene.
    Tom ließ sich nicht beirren. »Tom Sawyer ist der Name. Ich suche jemanden. Cooper heißt der Mann. Hiram B. Cooper, Sie wissen nicht zufällig, wo ich ihn finden kann?«
    Der Wirt blinzelte, doch er sagte nichts. Tom spürte die Augen von sechs Männern auf seinem Hinterkopf. Aus dem Raum hinter der Theke hörte er heftiges Atmen. Ein Vorhang versperrte auch hier den Blick. Tom setzte sein freundlichstes Lächeln auf und versuchte es noch einmal. »Ich glaube, er ist Arzt. Doktor Cooper vielleicht, hm?«
    Der Wirt schwieg beharrlich, und Tom plauderte einfach weiter darauflos. »Wir haben uns kennengelernt. Ich war ihm ein bisschen behilflich und er mir. Sie wissen ja, wie das ist, und da er in der Stadt kein Zimmer bekommen hat, soweit ich weiß, dachte ich, er wäre vielleicht …«
    Tom machte eine unbestimmte Geste mit seiner Hand, die die Kneipe und die Hütten drum herum mit einschloss. Aus dem Nebenzimmer drang ein Stöhnen in die Wirtsstube.
    Der Wirt schmatzte. »Sie könn’ den Doktor nich’ sehen, Mister.«
    Tom stutzte. »Nicht sehen? Warum nicht? Ich meine, wir sind keine alten Freunde oder so etwas, aber wir kennen uns, sagte ich ja bereits.«
    »Tut mir leid, geht jetzt nich’.«
    Der Wirt schwitzte, Tom sah

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