Der Mann, der zweimal starb Kommissar Morry
angetrippelt. Ihre roten Haare loderten wie eine Feuersbrunst. Um ihre volle Brust spannte sich ein knallroter Pullover. Für einen, der ihre Vergangenheit nicht kannte, war sie reizend anzusehen. Als sie Reginald York erkannte, wurden ihre Schritte langsamer. Sie kam kaum noch vorwärts.
„Was willst du?“ fragte sie von oben herab.
Reginald York deutete auf den Wagen, der chromglänzend aus der Dunkelheit herüberblitzte. „Fährst du mit?“ fragte er kurz. „Ich möchte dich nach Schottland mitnehmen. Es handelt sich um eine Reise von mindestens zwei Wochen.“
Jetzt auf einmal konnte Lucy Fox wieder gehen. Sie flog beinahe auf ihn zu. Mit lautem Geschrei fiel sie ihm um den Hals.
„Mein Kleiner“, sagte sie in übersüßer Zärtlichkeit. „Ich habe ja immer gewußt, daß du es eines Tages noch schaffen wirst. Du hast endlich dein Erbe angetreten, wie? Es war ja vorauszusehen. Der Neffe eines Lords . . .“
Reginald York schielte unruhig den Gehsteig entlang. Die Angst vor der Polizei ließ sich nicht so leicht abschütteln. Ihm brannte buchstäblich der Boden unter den Füßen.
„Komm mit!“ raunte er heiser. „Wir können gleich abfahren. Ich habe alles vorbereitet.“ Lucy Fox wollte nur noch rasch einmal in das Lokal, um ihre Zeche zu bezahlen. Es dauerte nicht lange. Sie war schon nach einer Minute zurück. Schmeichelnd und zärtlich ging sie neben Reginald York her. Mit lautem Geschrei bewunderte sie den wundervollen Wagen.
„Wir werden Aufsehen erregen damit“, meinte sie stolz. „Die Hotelportiers werden vor uns auf dem Bauch kriechen. Es wird eine herrliche Reise werden, Reginald.“
„Wir fahren gleich ab“, murmelte er gehetzt. „Hast du etwas dagegen?“
„Ich kann doch nicht in diesem Aufzug fahren“, sagte sie schmollend. „Du verstehst wirklich nichts von Frauen, Reginald. Wie könnte ich mich glücklich fühlen, wenn ich nichts anzuziehen habe.“
„Das kann man doch unterwegs kaufen“, warf er ein.
„Welch eine Verschwendung“, sagte sie tadelnd. „Heb dein Geld für bessere Zwecke auf. Wir fahren rasch an meinem Boardinghouse vorbei, und ich packe in aller Eile die wichtigsten Sachen zusammen. Das dauert keine zehn Minuten.“
Reginald York sträubte sich eine ganze Weile. Er wollte weg. Er wollte keine Zeit mehr verlieren. Aber Lucy Fox setzte wie immer ihren Kopf durch. Sie erreichte es, daß sie den kurzen Umweg machten. Vor dem Boardinghouse hielt Reginald York den Wagen an.
„Ich warte hier“, murmelte er unruhig. „Beeil dich! Nimm wirklich nur das notwendigste mit!“
Lucy Fox verschwand mit wiegenden Hüften im Hausflur. Am Fuß der Treppe begegnete ihr der Portier. Er musterte sie verächtlich von oben bis unten.
„Ein Wunder ist geschehen“, brummte er spöttisch. „Miß Fox kommt einmal allein nach Hause. Sie hat ausnahmsweise keinen Bräutigam bei sich.“
„Machen Sie sich doch nicht lächerlich, guter Mann“, sagte Lucy Fox schnippisch. „Ich bin nur gekommen, um meine Koffer zu packen. Genügt Ihnen das?“
„Ziehen Sie etwa aus?“ fragte der Portier mit einem tiefen Atemzug.
„Ich verreise“, sagte Lucy Fox hoheitsvoll. „Haben Sie .den Wagen schon gesehen, mit dem ich gekommen bin? Das ist ein Ding, wie? So was kennen Sie nicht mal vom Film her.“
Sie rauschte die Treppe hinauf und begann in ihrem Zimmer zu packen. Kurze Zeit später schleifte sie einen großen Koffer nach unten. Sie brachte ihn kaum von der Stelle. Er hing schwer wie Blei an ihrer Hand. Sie trat auf die Straße hinaus und schob das schwere Möbel in den Kofferraum.
„Was bist du für ein trauriger Kavalier“, rief sie Reginald York zu. „Läßt mich halb zu Tode schinden, und du hältst hier Maulaffen feil. Hol wenigstens den zweiten Koffer herunter. Na, mach schon!“
Reginald York kletterte widerwillig aus dem warmen Wagen. Mürrisch ging er auf das verkommene Haus zu. Er stieg die Treppe hinauf und trat in das offenstehende Zimmer ein. Auf dem Tisch lag ein überquellender Koffer, bis zum Rand mit Kleidern und duftiger Wäsche vollgepfropft. Es kostete Reginald York einige Mühe, bis er den Deckel zudrücken konnte. Dabei schielte er fortwährend nervös im Zimmer umher. Hier hätte er beinahe einmal sein Leben verloren. Deshalb verspürte er nicht die geringste Lust, sich länger als unbedingt nötig in dieser Bude aufzuhalten. Er stemmte sich auf den Koffer. Er ließ die Schlösser einschnappen. In diesem Moment geschah es. Er bekam einen
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