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Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)

Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)

Titel: Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sloan Wilson
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schwer zu beschreiben. Vermutlich ist dir bewusst, dass die Welt ziemlich gut zu mir gewesen ist. Mit den Jahren habe ich eine ganze Menge Verpflichtungen angehäuft. Ich hatte Glück, dass sie allmählich zu mir gekommen sind, und ich hatte jede Menge Zeit zu lernen, wie ich damit umzugehen hatte. Das Merkwürdige ist, dass alle diese angehäuften Verpflichtungen oder wenigstens etliche davon leicht ganz plötzlich auf deinen Schultern landen könnten, und du hattest noch keine Gelegenheit, dich darauf vorzubereiten …«
    »Sprichst du von Geld?«
    »Zum Teil.«
    »Geld interessiert mich nicht. Ich finde es langweilig.«
    »Kein vernünftiger Mensch interessiert sich für Geld als solches«, sagte er.
    »Du anscheinend aber doch. Ich habe immer gedacht, es ist das Einzige, das dich interessiert. Das sagt auch jeder.«
    »Das glaube ich gern«, sagte er. »Susan, was sind eine Million Dollar?«
    Sie zuckte die Achseln.
    »Komm – denk mal nach und sag’s mir.«
    »Ein Haufen Geld, nehme ich an.«
    »Du wärst überrascht, wie wenig. Eine Million Dollar sind ungefähr ein halbes kleines Krankenhaus. Mit einer Million Dollar könntest du allen Kindern in einem Land wie, sagen wir, Südkorea vielleicht einen Becher Milch pro Mahlzeit für zwei Tage geben. Es ist eigentlich nicht viel, wenn man’s mal bedenkt, und dennoch stellt es den gesamten Lebensverdienst von sechs durchschnittlichen Männern dar – die gesamte Arbeitskraft von sechs Männern in ihrem ganzen Leben. Eine Million Dollar sind so manches. Sie sind eine College-Ausbildung für rund hundert Jungen. Sie sind ein eigenes Zuhause für rund fünfundsiebzig Menschen. Sie sind ein Jagdflugzeug für die Armee, sie sind ein neuer Fernsehsender, aber eines sind sie nicht: Sie sind nicht das, was ein intelligenter Mensch als langweilig erachten kann.«
    »Du sagst, sie sind Macht«, sagte sie. »Auch Macht interessiert mich nicht.«
    »Natürlich nicht. Mich auch nicht. Ich wollte damit nicht sagen, dass Geld Macht ist. Ich sage, wenn du eine Million Dollar in der Hand hältst, dann hältst du in einem sehr realen Sinn das gesamte Arbeitsleben von sechs Männern in der Hand, und du solltest dir verdammt genau überlegen, was du damit machst!«
    »Willst du mir damit sagen, du wirst dein Geld der Wohlfahrt hinterlassen?«
    »Das weiß ich nicht. Ich sage nur, dass wir ein Problem haben, an dem wir gemeinsam arbeiten sollten, eine Verpflichtung, die mir obliegt und eines Tages vielleicht dir. Ich habe viel gelernt, bevor man mir Verpflichtungen übertragen hat, und mich erschreckt die Vorstellung daran, was du womöglich einmal tun musst, ohne etwas gelernt zu haben. Susan, weißt du, dass ich ein schwaches Herz habe?«
    »Nein! Das hat mir niemand gesagt.«
    »Ich habe es auch deiner Mutter nicht gesagt – es hatte doch keinen Sinn, ihr Sorgen zu machen. Es ist nicht sehr schlimm, aber doch immerhin denkbar, dass ich jederzeit sterben könnte. Und ehrlich gesagt, Susan, dir viel Geld zu hinterlassen wäre doch so ähnlich, wie einem Baby eine Waffe zu geben.«
    »Deswegen mache ich mir keine Gedanken«, sagte sie. »Ich hoffe bloß, dir passiert nichts, aber wegen Geld mache ich mir keine Gedanken. Ich lasse mir das Leben nicht so vom Geld kaputtmachen, wie es deins und Mamas kaputtgemacht hat.«
    »Seien wir wenigstens genau«, sagte er trocken. »Deiner Mutter hat nicht Geld das Leben kaputtgemacht und auch nicht mir. Ich bin nicht bereit zuzugeben, dass deine Mutter wie auch ich unglücklicher als die meisten anderen sind, und wenn doch, liegt es nicht am Geld. Das Geld ist als Nebenprodukt dazugekommen.«
    »Das ist doch blöd, wie du die ganze Zeit arbeitest!«, sagte sie. »Du weißt gar nicht, wie man lebt. An Mutters Stelle hätte ich mich schon längst scheiden lassen. Ich weiß nicht, warum du die ganze Zeit arbeiten musst – seit ich denken kann! Ich glaube, du hast einen Schuldkomplex. Du bist ein Masochist!«
    »Welcher deiner Freunde ist denn Amateurpsychologe? Der Stückeschreiber?«
    »Der versteht die Menschen«, sagte sie verwirrt.
    »Sag ihm, er soll aufhören, Patenterklärungen für Männer und Frauen abzugeben«, entgegnete Hopkins. »Wenn er das gelernt hätte, dann wäre sein Stück auch nicht so schnell wieder abgesetzt worden.«
    »Es war ein tolles Stück!«, sagte sie. »Das Publikum kann eben …«
    »… große Kunst nicht würdigen«, beendete er ironisch den Satz für sie. »Ich weiß. Aber Shakespeare hat es zu seiner Zeit gar

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