Der Mann im Park: Roman (German Edition)
die jetzige Adresse von Thomas Franzén?«
»Ich weiß, wo er gewohnt hat, als er wieder nach Göteborg gezogen ist. Aber das ist ja schon lange her. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie die Straße hieß, aber ich hab’s aufgeschrieben. Ich kann es heraussuchen.«
»Ja, das wäre nett, Fräulein Bengtsson. Und Sie glauben, dass er noch dort lebt? In Göteborg?«
»Ich weiß es nicht. Aber er hat gesagt, das wäre seine Heimat dort.«
»Und in Stockholm, wo hat er da gewohnt?«
»In Vasastaden. Karlbergsvägen 55.«
Es klopfte an der Tür zum Hotelzimmer. Stierna öffnete die Augen und schob das Vernehmungsprotokoll von sich.
Es war der Journalist.
10
Dieses Mal setzten sie sich in den Speisesaal. Grönwall lud Stierna ein, und dieser protestierte nicht. Vielleicht hätte er das vor zwanzig Jahren getan, aber jetzt nicht mehr.
»Wie haben Sie angefangen?«, fragte der Journalist, während sie aufs Essen warteten.
Stierna schaute aus dem Restaurantfenster in die Dunkelheit hinaus.
Der Chefredakteur der Månads-Tidskriften , Folke Häggroth, hatte ihn nachmittags über eine schlechte Telefonleitung aus Stockholm in seiner Pension erreicht. Sie wollten einen Fotografen schicken, um Fotos von ihm zu machen. Wenn Grönwall so weit war.
»Wie haben Sie anfangs gearbeitet?«
Der Journalist hatte seine Frage wiederholt, nur anders formuliert.
Stierna überlegte. Wie konnte er die Tage nach dem Mord schildern? Die hektischen Wochen danach, in denen der Puls die ganze Zeit über dem normalen Niveau gelegen hatte. Die Tage, in denen er nur schwer einschlafen konnte, wenn er endlich spätabends in die Wohnung in der Parmmätargatan kam.
Zeugenbefragung in Djurgårdsstaden. Von Tür zu Tür in Vasastaden, den Weg entlang, den Ingrid Bengtsson wahrscheinlich an ihrem letzten Abend, an dem zweiten September 1928 gegangen war. All die Versuche, jede Bewegung in einem Gebiet nachzuvollziehen, das eigentlich viel zu groß war. Wer was getan hatte. Wer was gesehen hatte. Wer wo gewesen war. Und das nicht nur in der Mordnacht. Ob sich irgendein Nachbar merkwürdig benommen hatte. Ob Fremde beobachtet worden waren. Was sie getan hatten. Ob fremde Autos in der Nachbarschaft gesehen worden waren. Ob jemand Ingrid gesehen hatte. Und so weiter. Und so weiter.
Die Frageformulare, die sie an alle Haushalte verteilt hatten. Pressekonferenzen. Anrufe mit Hinweisen. Und alle Vernehmungen. So an die tausend.
Wie sollte er Börje Grönwall davon berichten können?
»Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll«, sagte Stierna.
Ein schwarzes Klavier mit geschlossenem Deckel stand in einer Ecke, nur wenige Meter von ihrem Tisch entfernt. Es hatte schon dort gestanden, als Stierna zum ersten Mal in das Wirtshaus gekommen war. Er fragte sich, ob es wohl im Sommer benutzt wurde, wenn die Touristen kamen. Stierna konnte spielen, jedenfalls hatte er es mal gekonnt. Aber er wusste, wie schnell man einrostete.
Das Essen wurde serviert. Grönwall hatte Lachs bestellt, Stierna aß an diesem Abend Fleisch. Rindfleisch mit Zwiebeln.
»Fangen Sie da an, wo Sie es für richtig halten«, sagte Grönwall. »Ich habe Zeit.«
11
»Ist in den letzten Wochen nichts Neues passiert? Was auch immer, jemand, den sie getroffen hat? Jemand, den sie kennengelernt hat?«
Er war wieder allein, in seinem Hotelzimmer. Der Journalist war für dieses Mal gegangen, aber Stierna konnte nicht so schnell abschalten. Er hatte versucht, in sein Tagebuch zu schreiben, doch das war nicht möglich gewesen. Stattdessen las er weiter in dem Vernehmungsprotokoll mit Maria Bengtsson vom vierten September 1928.
Er erinnerte sich, dass es ein langes Gespräch gewesen war, mehrere Stunden lang. Sie hatten über so vieles geredet. Wie es Ingrid in der Schule ging. Über Freunde, Bekannte, Nachbarn. Maria Bengtsson hatte von den Männern berichtet, mit denen sie während Ingrids Kindheit eine Beziehung gehabt hatte. Sie hatten diese Männer natürlich aufgesucht.
Stierna schob die alten Verhörprotokolle hin und her. Die Seiten waren vergilbt. Er schloss die Augen, ließ alles wieder auf sich zukommen.
Maria Bengtssons Antwort auf seine Frage war dieses Mal schnell gekommen.
»Da ist etwas, worüber ich nachgedacht habe, nachdem Sie gestern bei mir waren. Sie und dieser Arzt. Da war einer … einer, von dem sie erzählt hat, dass sie ihn getroffen hat. Erst vor ein paar Wochen. Im Vasapark.«
Stierna schaute zu Jonsson, Jonsson erwiderte seinen Blick.
»Ein Mann? Hat sie
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