Der Mann im Park: Roman (German Edition)
wichtigste Versprechen in seinem Leben.
Deshalb hatte er den Fall mitgenommen, hierher nach Visby. Der letzte Strohhalm, etwas zu tun, was Bedeutung hatte. Auch wenn er eigentlich schon vor langer Zeit diesen Strohhalm hatte fallen lassen. In ein paar Tagen war der Fall verjährt. Der Mörder würde für alle Zeiten frei bleiben, nie verurteilt werden.
Stierna stellte sich ans Fenster, schaute auf die Uhr am Dom. Es war bereits zwanzig vor zehn.
Stockholm 1928
37
Nils Sandquist zeigte auf den leeren Platz auf der Straße.
»Da hat er gestanden«, sagte er, »ich habe immer direkt vor dem Eingang geparkt.«
Stierna war mit der Straßenbahn bis zur Haltestelle am Norrmalmstorg gefahren. Er war diese Autofahrten leid, und irgendwie konnte er in der Straßenbahn besser denken, wenn er sich unter die Leute mischte.
Sandquist hatte ihn schon vor dem Eingang am Strandvägen empfangen. Er war um die vierzig, mit dünnem, dunklem Schnauzbart, trug einen maßgeschneiderten Anzug und Melone. Sandquist handelte mit Konfektionskleidung und hatte erklärt, dass er gut daran verdiente. Was Stierna ihm ohne Weiteres glaubte. Die Adresse, Strandvägen mit den protzigen Bauten. Der Wagen. Die elegante Kleidung.
»Hier ist also Ihr Wagen gestohlen worden, irgendwann zwischen halb zwei Uhr nachts und elf Uhr vormittags am sechsundzwanzigsten August?«
»Ja«, bestätigte Sandquist, »wie ich schon gesagt habe.«
»Und die Uhrzeit, die stimmt?«
»Ja … So einigermaßen. Es ist ja eine ziemlich lange Zeitspanne. Fast zehn Stunden vergingen, nachdem ich den Wagen abgestellt hatte, bis zu dem Zeitpunkt, als ich entdeckte, dass er weg war.«
»Ja, das ist eine lange Zeit.«
Aber der Kommissar war überzeugt davon, dass der Zeitraum gar nicht so lang gewesen war. Denn der Wagen war wohl kaum am Vormittag verschwunden. Wahrscheinlich war es nachts passiert, gar nicht lange nachdem Sandquist den Wagen hier am Strandvägen abgestellt hatte. Oder während der frühen Morgenstunden, bevor die Leute aufstanden und das Risiko, gesehen zu werden, zu groß wurde.
»Was haben Sie gemacht, bevor Sie den Wagen um halb zwei hier abgestellt haben?«
»Meine Frau und ich, wir waren bei Bekannten in Djursholm. Dort ist es spät geworden. Wir haben zusammengesessen und uns unterhalten. Ich habe ein paar Gläser getrunken, ich musste mich ja zurückhalten, da ich noch fahren musste.«
Stierna schaute das prunkvolle Steinhaus an. Seine Eltern hatten ihm früher von den Holzhütten und Schuppen erzählt, die hier einmal gestanden hatten. Von den Holzbrettern, die nur notdürftig die ärmlichen Hinterhöfe und das Elend verbargen. Das war noch gar nicht so lange her. Jetzt wohnten die Reichen hier. Und auch wenn Stierna aufgestiegen war, wusste er genau, dass er hier nicht hingehörte, hier nie hingehören würde.
»Sie sagen, es hat eine Weile gedauert, bis Sie ins Bett ge gangen sind. Und während der Zeit haben Sie nie auf die Straße geguckt, nach dem Wagen?«
»Nein«, antwortete Sandquist, »daran würde ich mich erinnern.«
»Und gegen elf Uhr am Vormittag haben Sie bemerkt, dass der Wagen weg war?«
»Ja, ungefähr um die Uhrzeit.«
Stierna sog die frische Herbstluft ein. Unten am Wasser schlenderten Spaziergänger entlang.
»Haben Sie den Kontaktschlüssel zum Wagen in Ihre Wohnung mitgenommen? Oder haben Sie ihn vielleicht im Automobil vergessen?«
»Ich habe ihn hier bei mir.«
Sandquist hielt den Schlüssel hoch. Stierna schaute ihn sich kurz an.
Also verstand er die Kunst, einen Wagen ohne Schlüssel zu starten, der Mann, der den Chevrolet gestohlen hat, dachte er. Und es war wahrscheinlich nicht das erste Mal, dass er das getan hatte.
»Der Wagen war noch nicht besonders alt?«
»Anderthalb Jahre«, antwortete Sandquist. »Und jetzt muss ich mir schon wieder einen neuen kaufen.«
»Wird es wieder ein Chevrolet?«
Stierna wusste nicht, warum er diese Frage stellte, sie hatte mit dem Diebstahl überhaupt nichts zu tun.
»Mal sehen«, zögerte Sandquist.
»Zu den Reifen. Die Hinterreifen waren fast neu, die Vorderreifen stark abgefahren. Wie kommt das?«
»Die Vorderreifen stammen von meinem alten Wagen, den hatte ich schon eine ganze Weile. Und außerdem … wissen Sie, die Hinterreifen nutzen viel schneller ab; und ich fand es unnötig, die Vorderreifen auch auszutauschen, deshalb habe ich nur neue Hinterreifen gekauft. Aber ich fahre viel mit dem Auto, deshalb wollte ich demnächst auch die Vorderreifen
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