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Der Mann im Schatten - Thriller

Der Mann im Schatten - Thriller

Titel: Der Mann im Schatten - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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stieß die Tür auf, als wollte er möglichst wenig mit mir zu tun haben, und wies mir einen Tisch zu.
    »Großartig, vielen Dank«, lächelte ich. »Als Vorspeise nehme ich einen Shrimps-Cocktail. Und wären Sie so nett, mir die Weinkarte zu bringen? Danke.«
    Der Mann starrte mich mit bierernster Miene an. »Wollen Sie mich verarschen?«
    »Tut mir leid. Soll nicht wieder vorkommen.« Ich schlug Sammys Akte auf, die Smith mir überlassen hatte. Sammy und ich hatten gestern noch keine Details besprochen. Nach den langen Jahren der Trennung hatten wir die gesamte Zeit
benötigt, um überhaupt wieder eine Verbindung herzustellen.
    Obwohl die Akte nicht sehr umfangreich war, ging eines eindeutig daraus hervor: Die Anklage hatte jede Menge belastendes Material gegen Sammy in der Hand.
    Griffin Perlini hatte am 21. September gegen neun Uhr abends auf ein Klingeln hin die Wohnungstür geöffnet und war von einer Kugel aus einer.38er Special begrüßt worden. Sie traf ihn mitten in die Stirn. Ein Nachbar hatte einen Mann in brauner Lederbomberjacke und grüner Strickmütze durch den Hausflur flüchten sehen. Ein älteres Ehepaar, das draußen vorbeispazierte, identifizierte Cutler später eindeutig als den Mann, der zum Tatzeitpunkt aus Perlinis Apartmenthaus gestürzt war. Und die Überwachungskamera eines Supermarkts hatte Sammys acht Jahre alten Chevy gefilmt, der zum fraglichen Zeitpunkt ein Stück die Straße hinunter parkte.
    Ich hatte eine Kopie des Videobands mehrfach studiert. Die üblichen körnigen Aufnahmen mit einem Zeitcode am unteren Bildrand. Die Kamera befand sich in einer der hinteren Ecken des Ladens, überblickte die Verkaufsfläche bis hin zu den Kassen und einen kleinen Bereich vor dem Laden. Um 20.34 Uhr war ein verbeulter Chevy Sedan vorgefahren und hatte am äußersten Rand des Kamerablickwinkels angehalten. Leider war das Heck des Wagens - inklusive Nummernschild - vollständig zu sehen und die Kiste damit eindeutig als Sammys Chevy identifizierbar. Der Wagen stand dort bis 21.08 Uhr, dann fuhr er wieder davon. Der Zeitrahmen passte perfekt zur Tatzeit. Der einzige Silberstreifen am Horizont war, dass die Kamera nie den vorderen Teil des Wagens gefilmt hatte - oder jemanden, der ein- oder ausstieg -, doch das stellte keine echte Erleichterung dar.

    Als die Polizei Sammy zu Hause aufsuchte, um ihn zu befragen, machte er keine allzu gute Figur. Er verlangte einen Anwalt, bevor er ihnen die Tür öffnete. Später auf dem Polizeirevier änderte er dann seine Strategie und ließ eine wütende Tirade gegen Griffin Perlini vom Stapel - noch bevor ihm jemand den Grund für seine Anwesenheit nannte. Er hatte also nie im eigentlichen Sinne gestanden, doch genauso gut konnte man behaupten, General Custer hätte nie im eigentlichen Sinne kapituliert.
    Ich überflog die Liste, die ich angefertigt hatte:
    1. Zeugenaussage des Nachbarn - hat Mann in brauner Jacke und grüner Mütze fliehen sehen
    2. Ehepaar - hat Cutler identifiziert, als er aus Apartmenthaus rannte
    3. Überwachungskamera - Cutlers Auto parkte ein Stück die Straße runter
    4. Vernehmung durch die Polizei - Cutler erwähnte von allein Perlinis Name
    Die Anklage gegen Sammy schien auf soliden Füßen zu stehen. Augenzeugen am Tatort, sein Wagen auf einem Überwachungsvideo und eine Aussage, die einem Geständnis gleichkam. Aber was bei der ganzen Sache überhaupt nicht berücksichtigt worden war, war der in meinen Augen für die Verteidigung zentrale Aspekt.
    Sammy hatte sich für unschuldig erklärt. Weitaus sinnvoller wäre es gewesen, auf verminderte Schuldfähigkeit zu
plädieren, womöglich sogar auf vorübergehende psychische Störung. Dazu hätte er allerdings die Tötung Griffin Perlinis zugeben und zugleich den Geschworenen seine Motive verständlich machen müssen - Griffin Perlini war ein Kinderschänder, der Sammys kleine Schwester Audrey missbraucht und anschließend ermordet hatte. Keine Jury der Welt würde Sammy angesichts solcher Umstände verurteilen. Hatte sein Pflichtanwalt ihm das nicht erklärt?
    Sammy kam hereingeschlurft, den Gefängniswärter im Schlepptau, und sagte kein Wort, bis der Deputy ihn an den Tisch gekettet und den Raum verlassen hatte. Die Ringe unter seinen Augen waren noch schwärzer als gestern, und er fixierte mich ohne die Neugier und Freundlichkeit unserer ersten Begegnung. Er nickte desinteressiert in Richtung der Akte, die vor mir auf dem Tisch lag, während er nach seinen Zigaretten griff. »Jetzt

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