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Der Mann im Schatten - Thriller

Der Mann im Schatten - Thriller

Titel: Der Mann im Schatten - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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besprachen Verteidiger und Ankläger ihre Deals oder tauschten über dünner Kaffeebrühe und labbrigen Sandwichs Neuigkeiten aus. Ich hatte Oleari um kurz nach vier abgepasst, als er aus einer Verhandlung kam. Er hatte den ganzen Tag in einer Anhörung verbracht und nahm nun ein spätes Mittagessen ein, typisch für den Alltag eines Prozessanwalts. Oleari hatte sein Juraexamen vor sechs Jahren gemacht, ich vor neun, aber er hatte bereits jede Menge Erfahrung als staatlich bezahlter Anwalt der Unterschichten gesammelt.
    Ich hatte mich früher mit ähnlichen Dingen herumgeschlagen, wenn auch nicht als Anwalt, sondern als Ankläger. Ich hatte den ganzen Kleinkram erledigen dürfen, der in der Staatsanwaltschaft so anfiel - Verkehrsdelikte, Jugendstrafen, geringfügige Vergehen -, und dabei immer auf die wirklich große Show geschielt, die Prozesse gegen Kapitalverbrecher. Nur um Missverständnissen vorzubeugen, natürlich ist es ehrenwert, die bösen Jungs hinter Gitter zu bringen, aber für mich hatte das immer auch einen Aspekt von reiner Selbstbestätigung gehabt. Ich war damals wie die meisten meiner Kollegen; ich hatte nie vor, ein »Lebenslänglicher« zu werden. Dazu fehlte mir einfach die aufrichtige Überzeugung. Allerdings genoss ich den sportlichen Aspekt der Sache, und ich träumte davon, dass meine gesammelten Erfahrungen sich eines Tages im privaten Sektor auszahlen würden.

    »Wie auch immer.« Oleari wischte sich über den Mund. »Die haben Augenzeugen, die bestätigen, dass Cutler aus dem Haus kam. Die haben das Video mit Cutlers Wagen in der Nähe des Tatorts. Außerdem hat sich Sammy während der Befragung nicht sonderlich geschickt aufgeführt.« Oleari schüttelte den Kopf. »Ich meine, der ganze Fall schreit geradezu nach verminderter Schuldfähigkeit. Aber versuch mal, ihm das klarzumachen.«
    Ich hatte es versucht. Und offensichtlich hatte sich Oleari an der gleichen Mauer den Schädel eingerannt.
    »Hat Sammy Ihnen verraten, ob er Perlini umgebracht hat?«, fragte ich.
    Oleari verzog das Gesicht. »Nein, aber die Beweise verraten es mir.«
    Richtig. »Ich muss Perlinis Vergangenheit vor der Jury ausbreiten. Wenn sie wissen, mit wem sie es zu tun haben, werden sie jeden freisprechen, den die Anklage als Mörder präsentiert.«
    »Schon klar.« Oleari ließ den Rest seines matschigen Roastbeef-Sandwiches fallen und wischte sich die Hände mit der Serviette ab. »Aber die Richterin hat bereits darüber entschieden, wie Sie sicher wissen.«
    Ich wusste es nicht. Bisher hatte ich nur einen Teil der Akten erhalten.
    »Richterin Poker hat Griffin Perlinis Vergangenheit als Sexualstraftäter für nicht relevant erklärt.«
    Das hatte ich befürchtet. Solange Sammy auf nicht schuldig plädierte, spielte es keine Rolle, ob Griffin Perlini der Papst, der Präsident von General Motors oder ein fieser Kinderschänder war. Als Richter hätte ich die gleiche Entscheidung getroffen. Der Hintergrund eines Mordopfers interessierte
nicht die Bohne, wenn der Angeklagte darauf beharrte, es gar nicht getan zu haben. Und Sammy weigerte sich, auf verminderte Schuldfähigkeit zu plädieren. Er wollte nicht zugeben, vorübergehend die Kontrolle verloren zu haben. Und damit hatte ich einen Fall, in dem die Anklage alle Trumpfkarten in der Hand zu halten schien.
    »Aber es gibt da einen Typen.« Oleari brachte einen Zahnstocher zum Einsatz. »Einer der Augenzeugen behauptet, er hätte etwa um die gleiche Zeit einen Schwarzen aus dem Apartmenthaus rennen sehen.«
    Ein Schwarzer, der vom Tatort flüchtete. Als Strafverteidiger war ich durchaus bereit, mir Klischees zunutze zu machen. Und weiße Geschworene würden vielleicht sogar auf den Zug aufspringen.
    »Trug er zufällig eine braune Jacke und eine grüne Wollmütze?«
    Oleari lächelte und zuckte mit den Achseln. Vermutlich hatte er keine Ahnung. Das Zeugengespräch war wohl von einem seiner Ermittler geführt worden. Und angesichts des chaotischen Berufsalltags eines Pflichtverteidigers konnte ein Prozess, der in vier Wochen begann, genauso gut in vier Jahren stattfinden. »Die haben also ein nettes älteres Ehepaar, das Cutler identifiziert hat. Die haben einen Nachbarn, der ihn mit Bomberjacke und Skimütze vor dem Apartment des Opfers beobachtet hat. Sie haben das Video und Cutlers belastende Aussagen bei der Vernehmung...«
    »Und alles, was ich dagegen aufbieten kann, ist ein Typ, der erzählt, dass ein Schwarzer davongeflitzt ist.«
    »Richtig. Sollte die Jury

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