Der Mann im Schatten - Thriller
wirklich kritischen Punkt an. Die Polizei hatte Griffin Perlini damals nichts Konkretes nachweisen können. Zwar war er ein aktenkundiger Pädophiler, und sie hatten seine Fotos von Audrey - und die vieler anderer Mädchen -, aber Audreys Leiche war nie gefunden worden, und sie hatten ihm auch kein Geständnis entlocken können. So war zumindest mein letzter Wissenstand, der eines siebenjährigen Jungen. Die Cops hatten nicht genug in der Hand gehabt, um Anklage zu erheben. Und nun würde ich den Fall wieder aufrollen müssen. Ich musste einen Weg finden, zu beweisen, dass Griffin Perlini tatsächlich Audrey Cutlers Mörder war.
»Vielleicht... vielleicht sollte man noch andere Leute unter die Lupe nehmen, denen er geschadet hat«, schlug Sammy vor. »Andere Familien, die mit dem Kerl ein Hühnchen zu rupfen haben. Audrey war nicht die Einzige.«
Kein schlechter Gedanke. Aber solange Sammy nicht wirklich entschlossen für seine eigene Unschuld eintrat, brachte es die Verteidigung wenig weiter, die Tat dem Vater oder Bruder eines anderen Opfers anzuhängen.
»Ich kümmere mich darum«, versprach ich. »Aber ich brauche mehr als einen Monat Vorbereitungszeit, Sam. Ich benötige mindestens sechs.«
Sammy schüttelte den Kopf. »Nein. Die Zeit muss reichen. Ich will hier raus.«
»Wenn ich in vier Wochen vor Gericht ziehe, kommst du hier nie wieder raus.«
»Ich hab gesagt Nein.«
Ich ließ mich in meinem Stuhl zurückfallen. Klar wollte er hier raus, aber lebenslänglich gegen ein paar Monate Knast einzutauschen, war doch kein allzu übles Geschäft. Wo lag das Problem?
»Lass mich die Sache richtig anpacken, Sam. Ich werde der Jury einen Kindermörder präsentieren. Und sie wird den gerechten Zorn eines Bruders sehen. Wenn wir kämpfen, haben wir eine Chance.«
Sammy verharrte bewegungslos, aber ich konnte spürte, dass er kurz davor war, zu explodieren. Er hatte die Fäuste geballt, seine Arme und Schultern zitterten. Ein dunkles Rot färbte sein verwittertes Gesicht. Nicht, dass ich ihm deswegen Vorwürfe gemacht hätte, aber ehrlich gesagt hatte ich keine Ahnung, wo das Problem lag. Ich hatte Recht, und wir beide wussten das.
Ich beschloss, das Thema zu wechseln. »Erzähl mir was über Smith. Was ist das für einer?«
Er brauchte einige Zeit, bis er mir ruhig antworten konnte. Seine einzige Regung bestand in einem angedeuteten Schulterzucken. »Der Typ hat nur gemeint, er vertritt irgendwelche Interessengemeinschaften oder so’n Scheiß.«
»Andere Opfer? Ihre Familien?«
»Du bist doch hier der Studierte.«
»Verflucht, Sammy, woher zum Teufel soll ich was über diesen Typen wissen? Ich kenne nicht mal seinen richtigen Namen!«
Sammy ließ die aufgestaute Wut an seiner Zigarette aus, zerstampfte sie im Aschenbecher zu winzigen Bröseln. »Er hat nur gemeint, ein paar Leute wollten mir helfen. Leute mit Kohle. Sie würden teure Anwälte für mich anheuern. Ich hab ihm erklärt, ich weiß, welchen Anwalt ich will. Ich will Kolarich. Er hat behauptet, er kann mir bessere besorgen. Aber ich hab gesagt, ich will jemanden, dem ich...«
Er stockte. Plötzlich aufwallende Gefühle schnürten ihm die Kehle zu. Jemanden, dem ich vertrauen kann, hatte er sagen wollen. Offensichtlich hatte Sammy bei seinen bisherigen Querelen mit dem Strafjustizsystem keine wirklich gute Vertretung genossen. Und jetzt setzte er auf einen alten Freund.
»Du hättest mich schon viel früher anrufen sollen, Sammy. Geld spielt für mich keine Rolle.«
»Wie auch immer. Jedenfalls bist du jetzt hier, und du kriegst deine Kohle. Also gewinn diesen beschissenen Fall. Seit einem Jahr hocke ich in diesem verdammten Loch. Ich halte es keinen Tag länger als die vier Wochen aus, und ich erzähle denen auf keinen Fall, ich sei verrückt. Dieser Smith gibt dir alles, was du verlangst. Also hau mich hier gefälligst raus, klar, Mister Sportskanone?«
Mit diesen Worten erhob er sich, auch wenn er sich wegen der angeketteten Handschellen nicht ganz aufrichten konnte. Er nickte dem Wärter zu, der an die Glaszelle trat und die Tür öffnete. »Du schuldest mir was, Koke«, sagte er leise. Der Wärter sperrte ihn los und eskortierte ihn hinaus.
»Ich weiß«, murmelte ich, nachdem er den Raum verlassen hatte.
11
»Ja, dieser Sammy ist echt ’ne harte Nuss.«
Patrick Oleari, der Pflichtanwalt Sammy Cutlers, pflanzte sich auf einen der Stühle in der Cafeteria im Erdgeschoss des Criminal Courts Building. Überall um uns herum
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