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Der Mann im Schatten - Thriller

Der Mann im Schatten - Thriller

Titel: Der Mann im Schatten - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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nahm in einem Schaukelstuhl mir gegenüber Platz und hielt ihre Kaffeetasse auf dem Schoß. Anscheinend wollte sie nicht den ersten Schritt machen, aber als ich mich räusperte und zum Reden ansetzte, ergriff sie plötzlich das Wort.
    »Halten Sie seine Tat für gerechtfertigt?«, fragte sie mich.
    Offensichtlich meinte sie Sammys Tat, den Mord an ihrem Sohn. »Wollen Sie wirklich eine Antwort darauf?«
    »Vermutlich nicht.« Sie starrte in ihre Kaffeetasse, trank aber nicht.
    »Und Sie?«
    »Ob ich glaube, dass es gerechtfertigt war?« Sie dachte einen Moment darüber nach. »Ich nehme an, aus seiner Sicht...« Sie rang mit ihrer Antwort. »Der erste Instinkt ist immer, seine eigenen Kinder zu schützen.«
    »Natürlich.«
    »Aber wenn die Krankheit des eigenen Kindes andere Menschen schädigt - unschuldige Kinder -, dann lernt man wohl, die Dinge aus mehr als nur einem Blickwinkel zu betrachten.«
    Ich spähte erneut zu dem goldenen Kruzifix an der Wand. Diese Frau musste viel Zeit im Gespräch mit dem Allmächtigen verbracht haben. Am Anfang neigte man sicher dazu, alles auf eine Krankheit zu schieben, so wie sie es formuliert hatte. Es ist nicht mein Fehler. Ich bin nicht schuld daran. Mein Sohn war krank. Aber glaubt man wirklich daran? Zweifelt man nicht tief in seinem Innersten und fragt sich, ob man es
nicht hätte vermeiden können, wenn man manches anders gemacht hätte?
    »Ich muss den Nachweis erbringen, dass Ihr Sohn Audrey Cutler getötet hat«, sagte ich. »Und ich wollte Sie bitten, mir dabei zu helfen.«
    Sie schloss die Augen und murmelte leise vor sich hin. Ich hatte den Eindruck, als betete sie. Aus irgendeinem Grund wurde ich plötzlich wütend. Auch ich hatte es mit Gott versucht, aber es hatte nicht wirklich geholfen. Ich hätte ihn gerne verflucht für das, was Talia und Emily zugestoßen war, aber die Schuld landete wie ein Bumerang immer wieder bei mir. Ich konnte Ihm ihren Tod nicht anlasten. Gleichzeitig fand ich dort aber auch keinen Trost und fühlte mich auf den alten Widerstreit zwischen Logik und Religion zurückgeworfen, der mich bereits in meiner Kindheit verunsichert hatte. Glaube war per Definition der Verzicht auf jegliche Beweise. Und als ein in logischem Denken trainierter Anwalt konnte ich mich mit nicht nachweisbaren Behauptungen einfach nicht abfinden.
    Meine Familie war tot, und kein höheres Wesen konnte mir erklären, warum. In gewisser Weise hatte ich Angst davor, nicht zu glauben und am Ende aller Tage nicht zu den geretteten Seelen zu zählen. Aber wenn ich es genau bedachte und tief in mich ging, konnte ich die Frage nicht eindeutig beantworten: Ich wusste nicht, ob ich glaubte oder nicht. Und vielleicht war das bereits die Antwort.
    »Ich will einfach nur die Wahrheit hören«, unterbrach ich sie in ihren Gedanken. »Sicher würde Gott nicht wollen, dass Sie lügen.«
    Sie öffnete die Augen. Der Ausdruck darin gefiel mir nicht. Es war nicht so sehr Ärger als echte Besorgnis. »Ich habe Ihn
nicht um Rat gefragt«, erklärte sie mir. »Ich habe Ihn um Stärke gebeten.«
    Ich beschloss zu schweigen. Ich wollte sie nicht noch mehr kränken und auch keine Moralpredigt hören. Ich wollte einfach nur eine Antwort.
    »Er hat mir nie erzählt, ob er dieses arme Mädchen entführt hat, wenn Sie das wissen wollen, Mr Kolarich. Vielmehr hat er es abgestritten. Aber ich bin ja nicht blind. Ich kenne meinen Sohn. Ich weiß, dass er sich manches hat zuschulden kommen lassen.« Sie nahm einen Schluck aus ihrer Tasse und spülte die Flüssigkeit im Mund herum. Ich fühlte mich plötzlich sehr klein.
    »Er war immer schon ein schwieriger Junge«, fuhr sie fort. »Von Anfang an. Er hat sich nie für Mädchen interessiert, aber ich dachte, er wäre einfach nur ein Spätzünder. Als Heranwachsender war er in sich gekehrt und wirkte irgendwie... gepeinigt. Aber ich habe nie mitbekommen, dass er diesen Impulsen nachgegeben hätte, die ihn offensichtlich quälten. Ich hatte von all dem keine Ahnung. Merkwürdig, oder? Eine Mutter ahnt nicht, dass ihr Sohn unter einer entsetzlichen Krankheit leidet.«
    Sie trank erneut aus ihrer Tasse und nickte dann unmerklich. »Etwa ein Jahr vor seiner ersten Verhaftung habe ich zum ersten Mal etwas von seinen... seinen Vorlieben erfahren.« Sie zuckte mit den Achseln. »Davor war ich wirklich völlig ahnungslos.«
    Ich wusste, dass ihr Sohn ein Vorstrafenregister aus der Zeit vor Audreys Entführung besaß und die Polizei ihn deshalb so schnell als

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