Der Mann mit den zwei Gesichtern
Verzweiflung, als das Handy nicht funktionierte – und schließlich ihre Rettung durch Gerd.
Gerd, der immer noch nicht angerufen hatte.
Auch das erzählte sie, ganz zum Schluss.
Schließlich war sie fertig damit, ihr Herz auszuschütten und den Magen zu füllen. In den nur verdächtig wenig hineinpassen wollte.
Andrea saß da, spielte mit dem Kaffeelöffel und schien nachzudenken. „Manchmal dauert es, bis sie sich melden“, sagte sie schließlich.
Franziska nickte. Ja, das hatte sie auch schon überlegt. Gerd mochte wichtige Termine haben, war wahrscheinlich beruflich stark eingespannt. Wobei sie nicht einmal wusste, was er arbeitete.
„Gestern hatte er einen Termin, von dem er meinte, er sei nicht sehr wichtig“, sagte sie. „Wahrscheinlich holt er den heute nach.“
„Wahrscheinlich“, nickte Andrea, langte nach dem Brotkorb und hielt ihn Franziska hin: „Iss noch was.“
„Danke“, schüttelte die abwehrend den Kopf. „Ich bin wirklich satt.“
Andrea zuckte nur mit den Schultern und nahm sich noch ein Brötchen. „Was willst du jetzt machen?“
„Ich such mir eine neue Stelle“, antwortete Franziska sofort.
Andrea hob den Kopf: „Zu Tom zu gehen, ziehst du gar nicht mehr in Erwägung?“
„Doch schon“, gab Franziska zögerlich zu. „Es wäre ganz einfach. Ich müsste ihn nur anrufen und sagen, dass ich will.“
„Und ihn dir fortan vom Leibe halten“, ergänzte Andrea, inhaltlich zwar korrekt, dennoch ein wenig überspitzt.
„Naja, so schlimm ist er ja nicht“, relativierte Franziska auch sofort.
„Aber er hat die Hoffnung nie aufgegeben, nicht wahr?“
„Nein“, Franziska schüttelte den Kopf. „Das ist ja auch der Grund, warum ich immer noch zögere. Ich meine, jetzt ...“
„Du hast vorher auch schon gezögert“, rückte Andrea Franziskas Worte zurecht. „Mach dir nichts vor. Du hast ihn noch nie gewollt.“
„Er ist einfach nicht mein Typ.“
„Was gar nicht zu verstehen ist“, wunderte sich Andrea. „Er ist attraktiv, erfolgreich ...“
„Langweilig“, ergänzte Franziska. „Er ist überaus korrekt, ehrlich und kollegial. Er ist aber auch ernst und neigt zur Humorlosigkeit.“
„Ein schweres Verbrechen“, grinste Andrea.
Franziska dachte an den Reifenwechsel zurück. Mit welcher Leichtigkeit Gerd da agiert hatte. Das wäre bei Tom unvorstellbar gewesen. Der hätte den Pannendienst gerufen, sich bis zu dessen Eintreffen telefonisch über seine Rechte kundig gemacht und darüber, welche Kosten auf ihn durch diesen Service zukommen würden. Nein, Tom war absolut nicht ihr Typ.
„Ich sehe schon, dir ist es ernst.“ Andrea biss in ihr Honigbrötchen, hob dann ihre Tasse an. „Hast du noch einen Schluck Kaffee?“
Doch schließlich war auch sie satt und lehnte sich zurück. „Also, worauf wartest du noch? Ruf ihn an.“
„Wen?“ Franziskas Herz machte einen Satz. Hatte Andrea sie nicht richtig verstanden? Sie hatte keine Telefonnummer von Gerd.
„Tom“, antwortete Andrea. „Was denkst du, wen ich meine?“
„Wenn ich Tom anrufe, verpasse ich vielleicht Gerds Anruf.“
„Das gibt's doch nicht. Andrea verdrehte die Augen. „Fräulein 'Ich zeige jedem Mann die kalte Schulter' will die Telefonleitung frei halten für ihren Traummann.“
„Ach“, Franziskas Augen blitzten. „Redest du immer noch von Tom? Nimm ihn dir doch, wenn du magst.“
„Tja“, sagte Andrea da ein wenig spitz. „Mir geht es mit Tom wie ihm mit dir. Er will mich nicht.“ Sie grinste, wenn auch ein wenig verrutscht. „Aber ich würde mich wirklich freuen, wenn du wieder an die Klinik kommst. Also fass dir ein Herz und ruf ihn an.“
„Du ... und Tom?“, fragte Franziska verwirrt.
„Eben nicht“, schüttelte Andrea den Kopf. „Aber ich hätte nichts gegen den 'Langweiler' einzuwenden.“
„Das ... das tut mir leid“, stotterte Franziska. Sie war überrascht. Schwester Andrea, ihre liebste Freundin, war in Tom verliebt? „Seit wann?“
„Schon länger, als du denkst“, zuckte Andrea mit den Schultern. „Ich habe dabei zugesehen, wie die kleine Ärztin im Praktikum gekommen ist und sein Herz im Sturm erobert hat.“
„Wie kannst du dann wollen, dass ich zurückkomme?“ Franziska war entgeistert. „Es muss dir doch wehtun, zu sehen ...“
„Ach papperlapapp“, widersprach Andrea. „Wie lange stehe ich schon auf den Mann? Und wie lange steht er schon auf dich? Glaub mir, dazwischen liegen einige Jahre. Er will mich nicht, ganz unabhängig
Weitere Kostenlose Bücher