Der Mann mit den zwei Gesichtern
von dir. Und jetzt ruf ihn an. Ich hab bis zu meinem Dienstbeginn nicht mehr ewig Zeit.“
Gehorsam holte Franziska Telefon und Notizbuch.
„Wenn du seine Handynummer brauchst, die kenn ich auswendig.“
„So kann ich das nicht.“ Franziska warf das Telefon zur Seite. „Ich ruf ihn an, wenn du weg bist.“ Mit Andrea im Rücken konnte sie dieses Gespräch einfach nicht führen. Nicht nachdem, was sie jetzt wusste.
Andrea sah auf die Uhr: „Ich wollte sowieso noch was einkaufen, bevor ich zur Arbeit muss. Also ist es besser, ich gehe. Dann kannst du in aller Ruhe mit Tom telefonieren und danach wieder auf den 'Anruf' warten.“ Sie zwinkerte mit den Augen: „Aber versprich mir, in genau dieser Reihenfolge.“
„Versprochen“, nickte Franziska. Sie begleitete Andrea zur Tür.
„Es ist hier sauber genug“, sagte Andrea mit einem Blick durch den Flur. „Wenn du unbedingt noch putzen musst, komm zu mir.“
„Ich überleg's mir.“ Franziska lachte. „Mach's gut.“
„Manchmal dauert es ein bisschen“, wiederholte Andrea noch einmal.
Und manchmal rufen sie nie an , ergänzte Franziska in Gedanken.
Einen Arzt in der Klinik privat anzurufen, glich in der Regel einem Spießrutenlauf. Wenn sie großes Glück hatte, war Tom gerade in der Nähe seines Telefons. Mit etwas weniger Glück würde sie niemanden erreichen und könnte es nachher noch einmal probieren. Mit viel Pech würde Frau Schröder rangehen der Sekretärin für die Oberärzte. Die würde Tom dann entweder anpiepsen, was ja auch noch einigermaßen dezent war, oder aber, und das war es, warum Franziska den Anruf wirklich fürchtete, ausrufen lassen. In aller Öffentlichkeit angepriesen zu werden … „Bitte sei da“, raunte sie, drückte sich selbst die Daumen und wählte.
Tuut - tuut – tuut. Dann ein Knacksen. „Ja?“
Tom. Es war also soweit. Sie holte Atem. „Tom? Hier ist Franziska.“
„Franziska?“ Er schien einen Moment sprachlos. „Was gibt's?“
„Ich ... ich“, sie brach ab. Was sollte sie sagen? Sie nahm Anlauf: „Ich hab die Stelle in der Marienklinik nicht bekommen.“
„Aha?“
Mensch, konnte er es ihr nicht ein bisschen leichter machen? „Gilt dein Angebot noch?“, setzte sie kleinlaut hinzu.
Sie hörte ihn scharf Luft holen. „Du meinst, als letzten Ausweg würdest du in Erwägung ziehen, wieder hier zu arbeiten?“
Tom war beleidigt. Klar, das hätte sie sich denken können, immerhin hatte er ihr das Angebot gemacht, als seine Assistentin zu arbeiten – und sie hatte es ausgeschlagen.
„Ich ... du weißt, dass ich als Kardiologin meinen Facharzt machen möchte. Da hat sich die Stelle bei Professor Schultheiß angeboten.“
„Klar, Internist sein ist dagegen langweilig.“
Um Himmels willen, das Gespräch verlief völlig anders als geplant. „Nichts spricht gegen Internisten“, widersprach sie. „Aber ich habe mich nun mal für die Kardiologie entschieden.“
„Dann solltest du dir auch eine entsprechende Stelle suchen.“
Das machte keinen Sinn. Nicht so. Tom war beleidigt und blockte. Aber sie würde nicht betteln. Auf keinen Fall. „Du hast recht“, sagte sie deshalb. „Danke für den Hinweis.“ Sie drückte den Ausknopf.
Tom hatte wirklich recht. Wenn sie ernsthaft Kardiologin werden wollte, dann sollte sie jetzt nicht den einfachsten Weg gehen, sondern sich auf den Hosenboden setzen und sich um die richtige Stelle kümmern. Ein schneller Blick auf die Uhr zeigte, dass mehr als fünf Minuten vergangen waren. Sicher hatte Gerd in dieser Zeit angerufen. Ganz sicher.
Verzweifelt starrte Franziska das Telefon an. „Bitte ruf noch mal an“, flüsterte sie. „Ich bitte dich. Ruf noch mal an.“
Rrring.
Franziska bekam fast einen Herzinfarkt vor Schreck. Sie riss den Hörer hoch und presste ein atemloses „Hallo?“ hinein.
„Franziska? Hier ist Tom.“
Franziskas Knie bestanden auf einmal nur noch aus Gummi. Tom rief sie an. Was konnte er wollen? Sie nochmals ermahnen?
„Was willst du?“ Oh nein, jetzt zitterte auch noch ihre Stimme. Sie räusperte sich.
„Es tut mir leid. Ich war vorhin nicht sehr nett zu dir.“ Tom klang wirklich ganz zerknirscht. „Selbstverständlich kannst du die Stelle haben.“
„Aber es war doch richtig, was du gesagt hast.“ Franziska schüttelte den Kopf. „Such du dir einen internistischen Assistenzarzt. Ich suche mir einen anderen Platz.“
„Aber ich will dich.“
„Du willst mich?“, fragte sie eine Spur zu
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