Der Mann ohne Vergangenheit
neugewonnenen Wahnsinn durchmachen würde.
18
Das Ende des Duells
Das Rasen seines Herzens weckte ihn ein paar Stunden später in seinem Zimmer auf.
Beim Aufstehen von der Koje lauschte er angespannt. Es war jedoch kein Laut zu vernehmen, außer dem allesdurchdringenden Murmeln der ungeheuren und wahnsinnigen Gasmassen draußen.
Er zog sich rasch an, ging zu der Tür, die in den Korridor hinausführte und blickte die Halle hinunter. Sie war leer.
Merkwürdig – gewöhnlich gab es immer zwei bis drei Mann zu sehen, die mit irgendeinem lebenswichtigen Auftrag vorbeieilten. Sein Herzschlag verharrte bei hundertachtzig.
Ihm blieb nichts anderes übrig, als seinem untrüglichen Gespür für Gefahr zu folgen. Er schritt entschlossen auf den Gang hinaus und eilte auf Sheys Zimmer zu. Er war im Nu dort und blieb lauschend vor der Tür stehen. Nichts zu hören. Er klopfte kurz an. Nichts. Er klopfte nochmals. Warum antwortete Shey nicht?
Sein Herzschlag stieg auf einhundertneunzig und kletterte weiter. Er ballte nervös die Rechte. Sollte er zurückkehren, um seinen Säbel zu holen?
Er schüttelte den Drang ab, in sein Zimmer zurückzulaufen. Wenn es hier eine Gefahr gab, handelte es sich um eine Informationsgefahr. Er wollte nicht recht glauben, daß ein Schwert etwas an der Sache ändern würde. Er blickte sich um. Die Halle war noch immer leer.
Ihm kam der lächerliche Gedanke, daß er das einzige Wesen war, das noch an Bord war. Er lächelte humorlos darüber. Seine wilde Phantasie wurde selbst ihm zuviel. Er griff nach dem Türknopf, drehte ihn rasch herum und sprang in das Zimmer.
Während sein Herzschlag auf zweihundert zuflog, bemerkte er in dem trüben Licht einiges.
Zunächst einmal Sheys aufgedunsenes, lebloses, lockenumrahmtes Gesicht, das von etwa einem Fuß unter dem Lusterhaken in der Mitte auf ihn herabstarrte. Das abnorme Hervorquellen der Augen wurde zweifellos von dem schmalen Lederriemen verursacht, der straff gespannt von den Halsfalten bis zum Haken reichte. Neben den herabbaumelnden Füßen des kleinen Mannes lag der umgeworfene Projektorständer.
Hinter der sanft baumelnden Leiche saß Thurmond gelassen vor dem Würfelschirm und betrachtete Alar aus unergründlichen Augen. Von beiden Seiten des Polizeiministers zielte ein Kadesgeschütz auf Alars Brust.
Jeder der beiden schien den anderen durch sein Starren wie in einem körperlichen Griff zu halten. Wie Kondensatorplatten, dachte Alar merkwürdigerweise, mit einer Leiche als dielektrisches Element. Lange Zeit hatte der Dieb die seltsame Illusion, er sei Teil einer Drei-D-Projektion, Thurmond werde auf ewig ohne zu blinzeln auf ihn schauen, und er schwebe nicht in Gefahr, da in Drei-D-Projektionen keine Kadeswaffe abgefeuert werden kann.
Der Raum schaukelte ein bißchen unter ihren Füßen, als ein besonders heftiger und lärmender Gasschwall auf das Solarion schlug. Er erweckte sie beide aus ihrer paralytischen Versunkenheit.
Thurmond fand als erster die Stimme wieder.
„In der Vergangenheit“, kam seine trockene, eiskalte Stimme, „waren unsere Fallen für Sie der menschlichen Gleichung unterworfen. Dieser Faktor wirkt sich nicht mehr zu Ihren Gunsten aus. Wenn Sie sich jetzt von der Stelle rühren, fangen die Kades automatisch zu schießen an.“
Alar lachte kurz. „In der Vergangenheit stellte es sich immer als Irrtum heraus, wenn Sie sich einbildeten, Sie hätten bei Ihren Versuchen, mich zu fassen, ausreichende Vorkehrungen getroffen. Ich sehe, daß Sie der Selbstmord Ihres Kameraden erschüttert hat – sonst hätten Sie es nicht für notwendig erachtet, mir mein drohendes Schicksal auseinanderzusetzen. Die mündliche Erläuterung Ihrer Falle dient hauptsächlich der eigenen Beruhigung. Darf ich mir die Andeutung erlauben, daß die Umstände für Sie viel gefährlicher sind als für mich?“
Seine Stimme drückte eine Zuversicht aus, die er bei weitem nicht spürte. Zweifellos war er von automatischen Auslösern umgeben, etwa Kapazitätskondensatoren oder photoelektrischen Relais, die die Kades aktivierten. Wenn er den Mann ansprang, würde er einfach zu Boden schweben – als Häufchen verbrannter Asche.
Thurmond zog unmerklich die Brauen zusammen. „Sie bluffen natürlich mit Ihrer Behauptung, die Situation sei für mich genauso gefährlich wie für Sie, denn Sie müssen auf jeden Fall sterben, während mein einziger Anlaß für persönliche Befürchtungen die Berücksichtigung der Gefahr an Bord eines
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