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Der Mann,der durch das Jahrhundert fiel

Der Mann,der durch das Jahrhundert fiel

Titel: Der Mann,der durch das Jahrhundert fiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Rinke
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nie an die Stelle ihrer Geburt zurück, aber wenn man plötzlich genau davorstand und sich vorstellte, dass gleich die Ratten kamen?
    Nullkück hatte ein feines Gespür für die Gedanken anderer Menschen. Er begab sich mit einem Eimer Wasser und Feudel in den Schrank und wischte den Boden. Irgendwann hing er an der alten Achse wie Pauls Mutter und feudelte dabei mit den Füßen die unteren Seitenwände.
     

Ohlrogge im Don-Camillo-Club (II)
    Peter Ohlrogge saß an der Bar und wartete darauf, dass die Parkinsons endlich die Zimmer des Don-Camillo-Clubs räumten, damit wenigstens eine der Huren wieder frei werden würde.
    »Mensch, Martha, das kann doch nicht angehen! Vielleicht schaust du mal nach?«, fragte er und legte seinen Finger auf die Uhr, es war schon zehn nach elf.
    »Ich kann nichts machen«, antwortete Martha und drückte auf der Fernbedienung vom Videorecorder herum. »Wenn sie zahlen, dürfen sie so lange, wie sie wollen. Aber irgendwann können die auch nicht mehr. Noch heißes Wasser?«
    »Ja, aber vielleicht müsste man mal die Klinik in Osterholz verständigen. Es könnte ja sein, dass das unter rein medizinischen Gesichtspunkten ...«
    »Wir sind ein diskreter Club«, unterbrach sie ihn, »wir rufen auch nicht in der Malschule an und sagen, wer hier rumsitzt«, sie hatte Ohlrogge irgendwann einmal in den Wiesen beim Fluss gesehen, wie er einer Gruppe Malunterricht gab, Landschaftsaquarelle.
    »Schon gut, Martha. Ich hätte nur gern auch mal irgendwann eine Frau hier neben meinem Hocker«, Ohlrogge drückte jetzt ebenfalls auf der Fernbedienung für den Porno herum, aber es flimmerte nur. Einmal sah er ganz kurz die Brust von der Frau, die eigentlich zum Putzen gekommen war, dann war sie weg.
    »Man könnte ja mal grundsätzlich einen anderen Film besorgen. Hier läuft, wenn das Mistding funktioniert, immer nur diese Putznummer. Es gibt bestimmt auch sehr fantasievolle Streifen«, sagte Ohlrogge.
    Er aß eine seiner Feigen, tunkte einen weiteren Beutel mit Fencheltee in die Tasse und versenkte sich wieder in seine Vergangenheiten.
     
     
    Spätsommer 1967, Güllefahrt (Zweiter Amoklauf)
     
    Er kann den angeschossenen Arm noch nicht richtig strecken, als ihn Frau Schröter, die Galeristin, anruft, ob er wieder malen könne. Das mit der Hochzeit fällt nur nebenbei. Frau Schröter ist schon auf dem Sprung, vormittags war Standesamt, am Nachmittag nun das große Hochzeitsfest. Sie hatte nicht gesagt, auf welche Hochzeit sie gehen würde, aber die Pause, die sie plötzlich macht, die Unbedachtheit, die ihr wohl gerade selbst deutlich wird - sie durchfährt ihn wie ein Blitz. Das Herz beginnt zu rasen, zu schreien, dazu die Taumelgeflühle.
    Er muss gar nicht lange mit sich ringen. Bereits seit Tagen ärgert ihn der Güllegeruch der Bauern, die ihre Wiesen in Viehland von morgens bis abends düngen. Wie in Trance läuft er zum Wellbrock-Hof, der schon zu Abendbrot sitzt. Er besteigt den Traktor mit Güllefass, ein richtiger Schleudertankwagen mit eingebauter Pumpvorrichtung zum Abspritzen der Gülle wie bei der manuellen Strahl- oder Tragkraftspritze der Feuerwehr.
    Er fährt nach Worpswede, biegt in den Teufelsmoordamm ein und stoppt erst, als er direkt in Kücks Moorgarten steht.
    Das Hochzeitsfest von Johanna ist in vollem Gange und Wellbrocks Gülle ein Gemisch aus Urin, Kot, Einstreu und wenig Wasser, man nennt so etwas hier Schwemmmist oder Dickgülle. Er zieht den Schlauch sofort aus dem Schleudertankwagen, er hatte es oft genug beobachtet, wenn er in seinem kleinen Haus saß und den Bauern stundenlang zusah, wie sie ihre Wiesen güllten.
    Es gibt nun zwei Möglichkeiten: Beim Schleudertankwagen wird die Ausbringung der Gülle durch ein Schaufelrad im Tank so beschleunigt, dass sie mit Überdruck gegen einen Prallkopf geleitet wird, der wie ein automatisches Verteilgerät funktioniert und die Gülle mit einer Arbeitsbreite von 25 Metern grobtropfig verteilt. Ohlrogge entscheidet sich jedoch zunächst für die manuelle Vorrichtung und die externe Pumpe, die das Güllegemisch in einen Schlauch mit Strahlspritze leitet, womit es einfacher wird, punktuell zu arbeiten.
    Es ist wie bei dieser Duellsituation ein paar Wochen zuvor: Hinten im Garten, vor der Luther-Skulptur, steht Johannas Vater, der ihn mit starren Augen fixiert, so als wolle er ihn noch im letzten Moment mit seinem Blick abschießen, denn die Flinte hat er diesmal nicht parat.
    Ohlrogge richtet die Güllespritze direkt auf den Vater

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