Der Marathon-Killer: Thriller
Sollte Marchant deshalb schlecht von ihm denken? Er fürchtete, die Amerikaner würden es tun.
Draußen gab es einen Aufruhr, der ihn aus seinen Gedanken riss. Ein Mann kam den Hügel herauf mit einem großen Stück Karton, das in Gestalt eines Menschen zurechtgeschnitten war. Er redete aufgeregt mit einer kleinen
Gruppe Männer, die ihm folgte und die Figur betrachtete. Marchant verstand nicht, was er sagte, aber er hörte Salims Namen und erkannte die Figur. Es handelte sich um ein Abbild des früheren US-Präsidenten mit Cowboyhut und Stiefeln.
Einer der Männer brüllte einen Befehl, ein anderer holte ein Feuerzeug hervor, hielt es an die Pappe und ließ sie fallen, als die Flammen aufloderten. Aber ehe das Feuer den Kopf des Präsidenten erreichte, entdeckte Marchant ein kleines Loch zwischen den Augen, das von einer Kugel stammte.
Spiro beugte sich zu Leila vor und berührte ihre Hand. »Sie müssen das nicht tun, das wissen Sie«, sagte er und hielt den Körperkontakt länger aufrecht, als ihr behagte. »Die Gefahrenstufe ist hoch. Andere könnten Ihren Platz übernehmen.«
»Wie Baldwin zum Beispiel? Er schien ja nicht gerade erfreut, mich hier zu sehen.«
»Der Kerl ist ein Versager«, sagte er und schaute sich im Restaurant um. »Große Klappe und nichts dahinter.«
Spiro hatte den ganzen Abend getrunken - seine letzte Gelegenheit in den nächsten achtundvierzig Stunden -, und langsam machte sie sich Sorgen wegen ihm.
»Es ist wichtig, dass ich dabei bin. Meine Mutter wird stolz sein, wenn ihre Tochter den US-Präsidenten im größten Bahai-Tempel der Welt herumführt. Das ist mir ebenfalls wichtig. Ich muss einen Strich unter alles ziehen, was gesagt wurde, und die Zweifel ausräumen.«
»Wen interessiert es schon, was Baldwin oder die Briten denken?«, meinte Spiro und stieß ihr Weinglas um. Sie
hätte nicht mit ihm Essen gehen sollen, aber sie war ihm etwas schuldig, und sie brauchte weiterhin seine Unterstützung. Sie saßen auf dem Dach ihres Hotels, die Lichter von Delhi breiteten sich vor ihnen aus, und zwei Musiker aus Rajasthan spielten im Schein der Kerzen. Mit einem anderen Mann wäre es ein romantischer Abend geworden, überlegte sie und versuchte, nicht an Marchant zu denken.
»Sie nehmen jetzt auch den Vikar hoch«, sagte Spiro. Er war aufgedreht, angespannt und wippte unter dem Tisch mit dem Bein. »Konnte ihn noch nie leiden.«
Leila wusste Bescheid über Fieldings Anschuldigungen, dass sie für den Iran arbeitete, aber von seiner Suspendierung hatte sie noch nichts gehört.
»Warum?«
»Wegen Daniel, Ihrem früheren Lover. Der hat anscheinend in London angerufen. Hat mit Fielding gesprochen von einem Handy, das Salim Dhar früher benutzt hat. Und in Fort Meade waren sie ausnahmsweise mal auf Zack und hatten die Kopfhörer auf.«
Leila war erleichtert, dass Marchant noch lebte. Nach der Explosion im Gymkhana Club hatte sie das Schlimmste befürchtet. In dem Buch an der Rezeption, oder besser, in dem, was davon übrig geblieben war, hatte man einen »David Marlowe« gefunden, der als Besucher eingetragen war, doch die Leiche hatte man nicht entdeckt. Sie hoffte, eines Tages mit ihm reden und ihm alles erklären zu können, aber die Zeit lief ab.
»Von wo hat er denn angerufen?«, fragte sie beiläufig und versuchte, ihr Interesse zu verbergen.
»Von irgendwo aus dem Süden. Wir hatten recht, ihn
in London unter Manndeckung zu nehmen, Leila. Sie haben ausgezeichnete Arbeit geleistet. Die ganze Bande hat mit dringesteckt: Marchant, sein Vater, Fielding.«
»War Daniel bei Dhar, als er angerufen hat?« Ihre Stimme klang besorgt.
»Das hoffen wir jedenfalls. Aber darüber brauchen Sie sich nicht das Köpfchen zu zerbrechen. Was halten Sie von einem kleinen Drink in meinem Zimmer?« Unter dem Tisch zwängte er sein Bein zwischen ihre Schenkel.
»Ich muss mir noch etwas mehr Wissen über die Bahai anlesen«, sagte sie und schob ihren Stuhl zurück. »Ich fände es schrecklich, wenn der Präsident denken würde, ich hätte mich nach oben gebumst.«
»Ich bin nicht sicher, ob Sie mich verstanden haben«, nuschelte Spiro und hielt ihren Unterarm fest. Sie sah sich im Restaurant nach Hilfe um, aber niemand hatte etwas bemerkt. Spiros Atem roch säuerlich, seine Lippen glänzten fettig von dem Biryani , das er gegessen hatte. »In den letzten Tagen hat man mir eine Menge Fragen gestellt, und ich habe einer Menge Leute gesagt, sie sollten Ihnen vertrauen. Männern wie Baldwin. Ich
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