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Der maskierte Tod

Der maskierte Tod

Titel: Der maskierte Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat N. Elrod
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Dutzenden von Huren angeboten wurden, denen ich auf meinem Weg begegnete. Die meisten von ihnen waren in meinem Alter oder wesentlich jünger, wobei einige von ihnen verzweifelt ihren jungfräulichen Zustand anboten, wenn ich nur dafür bezahlte. Nicht wenige von ihnen waren hübsch oder hatten genügend Farbe und Puder aufgelegt, um so auszusehen, aber ich hatte keine Lust, anzuhalten und über ihre Dienste zu verhandeln, sonst hätte ich mich Überfällen aussetzen können, sofern sie mit einer Bande von Straßenräubern zusammenarbeiteten. Ich eilte vorbei und ignorierte sie zu- gunsten dringenderer Aufgaben, welche ich zu erledigen hatte.
    Ich durchquerte rasch ein Viertel nach dem anderen, einige von ihnen modern, einige hoffnungslos verwildert, und andere so elegant, dass sie gänzlich in einem anderen Land entstanden zu sein schienen. Auf ein spezielles dieser letzteren Kategorie steuerte ich zielstrebig zu.
    Obwohl sie nach Cambridge gezogen war, um in meiner Nähe zu leben, während ich mein Studium verfolgte, kehrte Nora Jones oft nach London zurück, um die dortigen Vergnügungen zu genießen. Ich folgte ihr, wann immer es mir möglich war, da sie sagte, dass diese Vergnügungen durch meine Gesellschaft gekrönt wurden. Wir nahmen ihren Wagen von der London Bridge zu den Vauxhall Gardens und gingen dort spazieren, hörten der »Feenmusik« zu, die von einem Orchester gespielt wurde, welches sich unter der Erde befand. Seine süßen Melodien drangen auf magische Weise, dank eines raffinierten Systems von Pfeifen, durch das Laub. Manchmal nahm ich mein Abendessen in einer Nische des chinesischen Pavillons ein, und später unterhielten wir uns mit einem Besuch des Grand Walk. Niemals wurde sie ihrer Bewunderung der unzähligen Glaslampen müde, welche den gesamten Platz taghell beleuchteten. Auf anderen Ausflügen nahmen wir uns eine Loge im Theater oder in der Oper, oder wir besuchten, Ranelagh, die Konkurrenz in Vauxhall, doch immer kehrten wir in ihr wundervolles Haus zurück und gaben uns in stiller Abgeschiedenheit fleischlicheren Formen der Unterhaltung hin.
    Zu diesem Haus eilte ich nun, in meinem Herzen ein schwacher Funken Hoffnung, dass sie sich dort aufhalte.
    Seit meiner Veränderung hatte ich viele Male an Oliver geschrieben und ihn gebeten, sie zu suchen, doch sein letzter Brief an mich mit der Botschaft, dass er keinen Erfolg gehabt hatte, war bereits Monate alt. Die Möglichkeit, dass sie in der Zwischenzeit zurückgekehrt war, galt es zu prüfen.
    Erinnerung und Erwartung sind eine quälende Kombination. Die vertrauten Straßen riefen mir ihr Gesicht und ihre Figur in aller Deutlichkeit in mein Gedächtnis zurück. Ich bemerkte, dass ich leise ihren Namen vor mich hinmurmelte, als sei es ein Gebet, so, als ob sie es irgendwie hören und zu mir kommen könnte. Vergangen war jeder Anflug von Ärger, welchen ich wegen der Art unseres Scheidens gegen sie gehegt hatte. Es war grausam, dass sie mich dazu gebracht hatte, sie zu vergessen, und noch grausamer, mich ohne eine Warnung oder irgendwelche Kenntnisse über das Vermächtnis ihres Blutes zu verlassen, aber all dies kümmerte mich nicht länger; alles, was für mich eine Rolle spielte, war, sie wiederzusehen.
    Mein Mut sank, sobald ich die letzte Ecke umrundete und mit begierigem Blick das Gebäude musterte.
    Nora legte viel Wert darauf, ihre Häuser in Ordnung zu halten, und dieses wirkte verlassen und unbewohnt, wenn es auch nicht gerade eine verfallene Ruine war. Blätter und Schlamm bildeten ein Durcheinander auf den schmutzigen Stufen zur Vordertür; die Farbe benötigte eine Auffrischung. Türknauf und Türklopfer aus Bronze hatten ihren Glanz verloren. Alle Fenster waren fest verschlossen und ohne Zweifel von innen verriegelt.
    Ich hätte mich kaum schlechter fühlen können, wenn das gesamte Gebäude ein Trümmerhaufen gewesen wäre. Langsam ging ich die letzten Schritte bis zur Tür und klopfte. Ich wusste, es war eine vergebliche Geste, aber ich musste etwas tun. Niemand meldete sich, und ich hörte von innen auch nicht das geringste Geräusch. Ich drehte mich um und warf einen Blick auf die Straße. Im Augenblick war sie leer.
    Dann verschwamm sie zu grauem Nebel und verschwand.
    Ich drückte mich hart gegen die Tür, mir ihrer Stabilität bewusst, aber sehr wohl in der Lage, hindurchzusickern, wie Nebel durch einen Vorhang. Wieder Grau um mich, dann Formen und Schatten, dann gedämpfte Farben und Muster.
    Ich stand in ihrem

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