Der Matarese-Bund
glaube ich eigentlich, daß wir uns tatsächlich schon einmal begegnet sind, Mister Pastor?«
Scofield hatte diese Frage schon bedacht; die Möglichkeit bestand immer, und er war darauf vorbereitet. »Wenn das der Fall wäre, würde ich mich daran erinnern, aber vielleicht war es in der amerikanischen Botschaft. Die Gesellschaften sind zwar nie so großartig wie die hier, aber ebenso überfüllt.«
»Dann sind Sie also ständiger Gast in der Botschaft?«
»Ständig würde ich nicht sagen, aber manchmal ein Gast in letzter Minute.« Bray lächelte bescheiden. »Anscheinend sind meine Landsleute oft ebenso daran interessiert, mir Fragen zu stellen, wie Ihre Freunde hier in Tivoli.«
Scozzi lachte glucksend. »Information ist oft das Tor zum nationalen Heldentum, Mister Pastor. Sie sind ein widerstrebender Held.«
»Nein, ganz und gar nicht. Ich muß mir nur meinen Lebensunterhalt verdienen, das ist alles.«
»Ich würde nur ungern mit Ihnen verhandeln«, sagte Scozzi. »Ich entdecke den Geist des erfahrenen Verhandlers.«
»Das ist schade«, erwiderte Scofield und änderte seinen Tonfall geringfügig, um damit dem Italiener ein Signal zu geben. »Ich hatte gedacht, wir könnten uns ein wenig unterhalten.«
»Oh?« Der Graf sah zu Antonia hinüber. »Aber wir langweilen die bella Signorina.«
»Ganz und gar nicht«, sagte Toni. »Ich habe in den letzten paar Minuten mehr über meinen Freund erfahren als in der ganzen letzten Woche. Aber ich bin am Verhungern…«
»Kein Wort mehr«, unterbrach sie Scozzi, als wäre ihr Hunger eine Frage auf Leben und Tod. Er hob die Hand. Binnen Sekunden tauchte ein junger, dunkelhaariger Mann im Frack neben ihm auf. »Mein Assistent wird sich um Sie kümmern, Signorina. Er heißt Paolo und ist übrigens ein ausgezeichneter Tänzer. Ich glaube, meine Frau hat es ihm beigebracht.«
Paolo verbeugte sich, wich den Augen des Grafen aus und bot Antonia den Arm. Sie nahm ihn an, trat vor und wandte Scozzi und Bray das Gesicht zu.
»Ciao«, sagte sie, und ihre Augen wünschten Scofield gute Jagd.
»Sie sind zu beneiden, Mister Pastor«, bemerkte Graf Guillamo Scozzi und blickte der weißgekleideten Gestalt nach. »Sie ist wirklich anbetungswürdig. Haben Sie sie in Como gekauft?«
Bray sah den Italiener an. Scozzi meinte seine Frage wörtlich. »Um ehrlich zu sein, ich bin nicht einmal sicher, ob sie je dort gewesen ist«, antwortete er, weil er wußte, daß die Doppellüge notwendig war; der Graf konnte zu leicht Nachforschungen anstellen.
»Tatsächlich hat mir ein Freund in Er-Riyad eine Telefonnummer am See gegeben. Wir haben uns in Nizza getroffen. Ich hab' sie nie gefragt, woher sie kommt.«
»Würden Sie trotzdem die Güte haben, sie nach einem Termin zu fragen? Sagen Sie ihr für mich, je früher desto besser. Sie kann mich durch die Paravacini-Büros in Turin erreichen.«
»Turin?«
»Ja, unsere Fabriken im Norden. Agnellis Fiat ist in der Öffentlichkeit bekannter, aber ich kann Ihnen versichern, Scozzi-Paravacini gibt in Turin den Ton an – und in einem großen Teil von Europa auch.«
»Das war mir nie bekannt.«
»Nein? Ich dachte, das wäre der Grund, weshalb Sie… ›ein wenig reden‹ wollten, wie Sie es ausgedrückt haben.«
Scofield leerte sein Champagnerglas und meinte, während er das Glas von den Lippen nahm: »Meinen Sie, wir könnten auf ein paar Minuten hinausgehen? Ich habe eine vertrauliche Nachricht für Sie, von einem Klienten am – sagen wir, dem Persischen Golf. Deshalb bin ich heute abend hier.«
Scozzi zog die Brauen zusammen. »Eine Nachricht für mich?
Natürlich habe ich eine Anzahl Herren aus der Gegend kennengelernt, allerdings niemanden, an den ich mich namentlich erinnern kann. Aber natürlich machen wir einen kleinen Spaziergang. Ich bin sehr gespannt.« Der Graf setzte sich in Bewegung, aber Bray hielt ihn mit einer kurzen Handbewegung an.
»Mir wäre lieber, wenn man uns nicht zusammen hinausgehen sähe. Sagen Sie mir, wo Sie sein werden, dann erscheine ich in zwanzig Minuten dort.«
»Wie ungewöhnlich. Nun gut.« Der Italiener überlegte. »Ippolitos Brunnen. Kennen Sie ihn?«
»Ich werde ihn finden.«
»Es ist ziemlich weit. Dort sollte uns niemand stören.«
»Gut. Zwanzig Minuten.« Scofield nickte. Beide wandten sich um und entfernten sich in entgegengesetzter Richtung durch die Menge.
An dem Brunnen waren keine Scheinwerfer. Es war auch nichts zu hören, als ein Mann zwischen den Felsen herumkroch und das Gebüsch
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