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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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abhorchte und das Stethoskop gebrauchte. Er lernte Arzneien zubereiten. Die Materia Medica sollte im Juli stattfinden, und es machte ihm Spaß, mit verschiedenen Medikamenten zu spielen, Mixturen zu mischen, Pillen zu drehen und Salben zu machen. Er stürzte sich auf alles, was, wenn auch nur andeutungsweise, Bezug zum Menschen hatte.
    Er sah Griffith einmal von weitem, ging ihm jedoch aus dem Wege, um ihn nicht direkt schneiden zu müssen. Philip war im Umgang mit Griffiths Freunden, die zum Teil jetzt seine Freunde waren, zunächst noch etwas verlegen gewesen, weil er gemerkt hatte, dass sie von seinem Streit mit Griffith wussten und, wie er annahm, auch den Grund kannten. Einer darunter, ein sehr großer Bursche mit einem kleinen Kopf und gelangweiltem Wesen, ein Jüngling namens Ramsden, einer von Griffiths treuesten Verehrern, der seine Krawatten, seine Schuhe, seine Art zu sprechen und seine Gesten kopierte, erzählte Philip, dass Griffith sehr verletzt sei, weil Philip seinen Brief nicht beantwortet hatte. Er wollte sich gern mit ihm aussöhnen.
    »Hat er dich beauftragt, mir das zu sagen?«, fragte Philip.
    »Ach nein, das sage ich ganz von mir aus«, sagte Ramsden. »Es tut ihm schrecklich leid, dass er das gemacht hat, und er sagt, du hättest dich ihm gegenüber immer wunderbar benommen. Ich weiß, dass er froh wäre, wenn er das wiedergutmachen könnte. Er kommt auch nicht ins Hospital, weil er Angst hat, er könnte dich dort treffen; er denkt, du würdest ihn dann schneiden.«
    »Da hat er recht.«
    »Er ist ziemlich unglücklich deswegen.«
    »Ich kann diese sehr unerhebliche Tatsache, dass er sich unbehaglich fühlt, ganz gut ertragen.«
    »Er würde alles tun, um es wiedergutzumachen.«
    »Wie kindisch und hysterisch! Warum denn? Ich bin eine sehr unwichtige Person, und er kann sehr gut ohne meine Gesellschaft auskommen. Ich habe kein Interesse mehr an ihm.«
    Ramsden hielt Philip für kalt und hartherzig. Er schwieg ein paar Augenblicke und blickte verlegen um sich.
    »Harry wünscht, er hätte nie etwas mit dieser Frau zu tun gehabt.«
    »So?«, fragte Philip.
    Er sprach mit einer Gleichgültigkeit, auf die er stolz war. Niemand hätte erraten können, wie heftig ihm das Herz schlug. Er wartete voll Ungeduld darauf, dass Ramsden fortfuhr.
    »Du bist jetzt wahrscheinlich gänzlich darüber hinweg, was?«
    »Ich?«, sagte Philip. »Gänzlich.«
    Nach und nach erfuhr er die Geschichte von Mildreds Beziehung zu Griffith. Er hörte mit einem Lächeln auf den Lippen zu, mit einem geheuchelten Gleichmut, der den begriffsstutzigen Jungen, der da mit ihm sprach, völlig hinters Licht führte. Das Wochenende, das sie mit Griffith in Oxford verbrachte, hatte ihre plötzliche Leidenschaft eher entfacht als gelöscht, und so entschloss sie sich, als Griffith nach Hause fuhr, aus einem bei ihr unvermuteten Gefühl, allein für ein paar Tage in Oxford zu bleiben, weil sie dort so glücklich gewesen war. Sie fühlte, dass nichts sie dazu bringen könnte, zu Philip zurückzukehren. Er stieß sie ab. Griffith war bestürzt über das Feuer, das er da entzündet hatte, denn er hatte die beiden Tage auf dem Land mit ihr etwas langweilig gefunden; er hatte keineswegs Lust, eine amüsante Episode zu einer lästigen Beziehung werden zu lassen. Sie ließ sich von ihm das Versprechen geben, dass er ihr schreiben würde, und so schrieb er ihr denn von zu Hause – da er doch nun einmal ein ehrlicher, anständiger Kerl war – aus natürlicher Höflichkeit und dem Wunsch, jedermann gefällig zu sein, einen langen reizenden Brief. Sie antwortete darauf mit seitenlanger Leidenschaft, schwerfällig freilich, denn sie konnte sich nicht ausdrücken, schlecht geschrieben und ordinär. Der Brief langweilte ihn, und als am nächsten Tag gleich wieder einer kam, und ein dritter einen Tag später, fing er an, diese Liebesaffäre nicht mehr schmeichelhaft, sondern alarmierend zu finden. Er antwortete nicht, und sie bombardierte ihn mit Telegrammen, fragte, ob er krank sei und ob er ihre Briefe erhalten habe; sie sagte, sein Schweigen ängstige sie schrecklich. Er war gezwungen, ihr zu schreiben, aber er versuchte seine Antwort so gleichgültig wie nur möglich zu halten, ohne beleidigend zu sein. Er bat sie, nicht mehr zu depeschieren, da er seiner Mutter, einer altmodischen Dame, für die Depeschen noch ein aufregendes Ereignis waren, den Grund für die Telegramme nicht angeben könne. Sie antwortete postwendend, dass sie ihn sehen

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