Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
Vom Netzwerk:
Macalister treffen wollte. Es beruhigte ihn ein wenig, die Lage mit ihm besprechen zu können. Dass zahllose andere Leute außer ihm ebenfalls Geld verloren, machte seine eigenen Sorgen ein bisschen erträglicher. Als Philip hinkam, war jedoch niemand da außer Hayward. Philip hatte sich kaum gesetzt, als er sagte:
    »Ich fahre am Sonntag zum Kap.«
    »Was?!«, rief Philip aus.
    Von Hayward hatte er so etwas am allerwenigsten erwartet. Viele der Leute aus dem Krankenhaus fuhren jetzt hin; die Regierung war froh und nahm alle an, die ihr Examen hinter sich hatten. Andere, die sich als Soldaten gemeldet hatten, schrieben nach Hause, dass sie, als man herausfand, sie seien Medizinstudenten, sofort in Krankenhäuser eingeteilt worden seien. Eine Welle von patriotischen Gefühlen ging über das Land hinweg, und aus allen Gesellschaftsschichten meldeten sich Freiwillige.
    »Als was gehst du denn?«, fragte Philip.
    »Mit der Freiwilligentruppe aus Dorset, als Gemeiner.«
    Philip kannte Hayward nun seit sechs Jahren. Die jugendliche Innigheit ihrer Beziehung, die von Philips Begeisterung und Bewunderung herrührte für diesen Mann, der ihm von Kunst und Literatur erzählen konnte, war längst verflogen; an ihre Stelle war die Gewohnheit getreten, und wenn Hayward in London war, sahen sie sich ein- oder zweimal die Woche. Er sprach noch immer mit großem Einfühlungsvermögen über Bücher. Philip war nicht sehr duldsam, und gelegentlich nervte ihn Haywards Konversation. Er glaubte nicht mehr daran, dass außer der Kunst nichts in der Welt von Belang sei. Haywards verächtliche Haltung jeglichem Handeln oder Erfolg gegenüber erfüllte ihn mit Unwillen. Philip saß da, rührte seinen Punsch um und dachte an die erste Zeit ihrer Freundschaft, als er noch voll kühner Erwartung war, dass Hayward große Dinge vollbringen werde. Diese Illusion hatte er inzwischen längst aufgegeben; jetzt wusste er recht gut, dass Hayward nie etwas anderes tun würde als große Reden schwingen. Mit seinen fünfunddreißig Jahren fand er es jetzt viel schwieriger, mit dreihundert Pfund im Jahr auszukommen, als früher. Seine Anzüge, die er zwar noch immer bei guten Schneidern machen ließ, wurden jetzt so lange getragen, wie er es früher nicht für möglich gehalten hätte. Er war zu dick. Mochte er sein Haar noch so kunstvoll anordnen, es ließ sich kaum verhehlen, dass es sich lichtete. Seine blauen Augen waren blass und ausdruckslos. Man konnte leicht sehen, dass er zu viel trank.
    »Wie bist du bloß auf die Idee gekommen, ans Kap zu gehen?«
    »Ach, ich weiß nicht; ich dachte, man sollte das wohl.«
    Philip war schweigsam. Er kam sich albern vor. Er verstand, dass Hayward von einer Unruhe getrieben wurde, für die er nichts konnte. Irgendeine Kraft in ihm ließ es ihm notwendig erscheinen, hinauszugehen und für sein Vaterland zu kämpfen. Es war merkwürdig, da er Patriotismus lediglich für ein Vorurteil hielt, sich in seiner kosmopolitischen Haltung gefiel und England als Ort des Exils angesehen hatte. Was trieb die Menschen, Dinge zu tun, die in solchem Widerspruch zu ihren Theorien standen? Für Hayward wäre es angemessen gewesen, abseits zu stehen und gelassen lächelnd mit anzusehen, wie die Barbaren sich gegenseitig abschlachteten. Es sah wirklich so aus, als wären die Menschen nichts als Marionetten, die nach dem Willen einer unbekannten Macht dies taten oder jenes. Gelegentlich benutzten sie ihren Verstand, um ihre Handlungen zu rechtfertigen; stellte sich das aber als unmöglich heraus, so handelten sie getrost gegen ihren Verstand.
    »Komisch ist das mit den Menschen«, sagte Philip. »Von dir hätte ich zum Beispiel niemals erwartet, dass du als einfacher Soldat hinausziehst.«
    Hayward lächelte mit einem Anflug von Verlegenheit und sagte nichts.
    »Ich bin gestern untersucht worden«, bemerkte er schließlich. »Das etwas Genante der Situation hat sich gelohnt, wenn man dann erfährt, dass man völlig tauglich ist.«
    Philip fiel auf, dass er in seiner geschraubten Manier noch immer ein französisches Wort gebrauchte, wo ein gutes englisches genau die gleichen Dienste verrichtet hätte.
    Aber in diesem Moment kam Macalister herein.
    »Ich wollte Sie gern sprechen, Carey«, sagte er. »Meine Leute möchten die Aktien nicht länger behalten. Die Börse ist in einem schrecklichen Zustand; sie möchten, dass Sie Ihre Papiere jetzt übernehmen.«
    Philip sank das Herz. Er wusste, das war unmöglich. Es bedeutete, dass er den

Weitere Kostenlose Bücher