Der Menschen Hoerigkeit
Änderungsvorschläge. Mrs. Hodges aber war vernünftiger und riet ihm, es Miss Antonia so zu zeigen, wie es war.
»Sie ist immer entweder ganz zugeknöpft oder völlig aus dem Häuschen. Vielleicht findet sie Gefallen daran.«
»Zugeknöpft dürfte ihr schwerfallen, wo so wenig da ist«, sagte Mr. Sampson mit einem Blick auf das Dekolleté. »Aber zeichnen kann er, was? Und da stellt er sein Licht die ganze Zeit unter den Scheffel.«
Als Miss Antonia gemeldet wurde, legte der Einkäufer den Entwurf so auf den Tisch, dass er ihr beim Eintreten gleich ins Auge fallen musste. Sie schoss sofort darauf los.
»Was ist das?«, rief sie. »Warum kann ich das nicht bekommen?«
»Es ist so eine Idee, die uns für Sie einfiel«, sagte Mr. Sampson gleichmütig. »Gefällt es Ihnen?«
»Gefallen?«, sagte sie. »Ah, ich muss einen Gin haben!«
»Wie Sie sehen, brauchen Sie nicht nach Paris zu fahren. Sie brauchen Ihre Wünsche nur auszusprechen, und schon ist die Sache erledigt.«
Die Arbeit wurde sofort in die Hand genommen; Philip durchrieselte ein Gefühl der Befriedigung, als er das fertige Kostüm sah. Der Einkäufer und Mrs. Hodges allein hatten den Ruhm, aber das war ihm gleichgültig. Als er mit ihnen ins Tivoli ging, wo Miss Antonia zum ersten Mal das Kostüm trug, fühlte er sich ganz übermütig. Mrs. Hodges drang mit Fragen auf ihn ein, und so erzählte er ihr schließlich, wie er zeichnen gelernt hatte. Bis dahin hatte er sein früheres Leben immer sorgfältig verheimlicht, weil er fürchtete, man könnte sonst glauben, dass er sich aufspielen wollte. Mrs. Hodges ging mit der Neuigkeit sofort zu Mr. Sampson. Der Einkäufer berührte das Thema Philip gegenüber nicht weiter, behandelte ihn jedoch von nun an mit größerer Zuvorkommenheit und gab ihm bald darauf Modelle für zwei Kundinnen vom Land zu entwerfen. Der Auftrag wurde zur Zufriedenheit erledigt. Von da an erzählte er seinen Kunden von ›dem klugen jungen Burschen, Pariser Kunststudent, wissen Sie‹, der für ihn arbeite. Bald saß Philip von früh bis spät in Hemdsärmeln hinter einem Wandschirm und zeichnete. Manchmal hatte er so viel zu tun, dass er erst um drei Uhr mit den Nachzüglern essen gehen konnte. Das gefiel ihm, denn zu der Zeit waren nur wenig Menschen im Esssaal, und die meisten waren zu müde und redeten nicht. Außerdem war das Essen besser, da es aus den Resten der Mahlzeit der Einkäufer bestand. Philips Aufstieg vom Aufseher zum Modellzeichner verfehlte seine Wirkung auf die andern im Geschäft nicht. Er spürte, dass er ein Gegenstand des Neides geworden war. Harris, der Gehilfe, den Philip hier als Ersten unter den Angestellten kennengelernt und der sich ihm angeschlossen hatte, konnte seine Bitterkeit nicht verbergen.
»Manche haben, weiß Gott, immer Glück«, sagte er. »Eines Tages werden auch Sie Einkäufer werden, und dann dürfen wir Sie ›Sir‹ nennen.«
Er riet Philip, er solle höheren Lohn verlangen; denn trotz der anspruchsvollen Arbeit, die er jetzt zu verrichten hatte, erhielt Philip noch immer nicht mehr als die sechs Shilling die Woche, mit denen er angefangen hatte. Aber um Gehaltserhöhung zu bitten war immer eine kitzlige Angelegenheit. Der Leiter hatte eine hämische Art, mit solchen Bittstellern umzugehen.
»Sie meinen, Sie sind mehr wert, was? Wie viel sind Sie denn wert – nach Ihrer Meinung?«
Der Gehilfe, dem das Herz bis zum Halse schlug, würde vorschlagen, dass er doch wohl zwei Shilling die Woche mehr bekommen sollte.
»Na gut, wenn Sie glauben, Sie sind so viel wert. Bitte schön.« Manchmal folgte dann eine Kunstpause, nach der er mit hartem Blick hinzufügte: »Das können Sie haben, und Sie können dann auch gleichzeitig Ihre Kündigung haben.«
Es hatte danach keinen Sinn mehr, die Forderung zurückzunehmen; man hatte einfach abzutreten. Der Leiter war der Meinung, dass Gehilfen nicht mehr gut arbeiteten, wenn sie unzufrieden waren; wenn sie keine Lohnerhöhung verdient hatten, war es also besser, sie zu entlassen. Das führte dazu, dass niemand darum bat, wenn er nicht bereit war zu gehen. Philip zögerte also. Er war ein wenig misstrauisch gegenüber den Männern in seinem Zimmer, die ihm zuflüsterten, der Einkäufer könne ohne ihn nicht mehr auskommen. Sie waren alle ordentliche Burschen, hatten aber einen etwas primitiven Humor. Es mochte ihnen wie ein Ulk vorkommen, wenn Philip sich durch sie überreden ließ, um höheren Lohn zu bitten, und dafür seinen
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