Der Menschen Hoerigkeit
hoffe, ich werde im Herbst eine Stellung im Hospital bekommen. Es fällt mir dann später viel leichter, Arbeit zu finden.«
»Ich biete Ihnen an, Teilhaber meiner Praxis zu werden«, sagte Dr. South mürrisch.
»Warum?«, fragte Philip überrascht.
»Man scheint Sie hier unten gernzuhaben.«
»Ich habe eigentlich nicht geglaubt, dass diese Tatsache Ihren Beifall findet«, erwiderte Philip trocken.
»Meinen Sie vielleicht, dass ich mir nach vierzigjähriger Praxis auch nur das Geringste daraus mache, ob man meinen Assistenten lieber hat als mich? Nein, mein Verehrter. Zwischen meinen Patienten und mir gibt es keine Gefühle. Ich erwarte von ihnen keine Dankbarkeit, ich erwarte nur, dass sie meine Gebühren bezahlen. Was meinen Sie also? Nun?«
Philip antwortete nicht, nicht etwa, weil er über den Vorschlag nachdachte, sondern weil er zu erstaunt war. Es war jedenfalls sehr ungewöhnlich, dass jemand einem neu zugelassenen Arzt eine Teilhaberschaft anbot, und ihm wurde klar, dass Dr. South, obwohl er es um keinen Preis der Welt eingestehen würde, ihn mochte. Er dachte daran, wie überrascht der Sekretär im St. Luke’s sein würde, wenn er ihm davon erzählte.
»Die Praxis bringt etwa siebenhundert pro Jahr. Wir können uns ausrechnen, wie viel Ihre Teilhaberschaft wert wäre, und Sie können mir das dann allmählich abzahlen. Wenn ich sterbe, können Sie mein Nachfolger werden. Ich glaube, das ist besser, als sich in Krankenhäusern herumschubsen zu lassen, dann Assistentenstellen anzunehmen, um schließlich und endlich einmal eine eigene Praxis aufmachen zu können.«
Philip wusste wohl, dies Angebot war eine Chance, bei dem die meisten mit beiden Händen zugegriffen hätten. Der Beruf war überfüllt, und die Hälfte aller Kollegen würde dankbar die Sicherheit wenigstens eines kleinen Einkommens begrüßen.
»Es tut mir schrecklich leid, aber ich kann leider nicht«, sagte er. »Ich müsste alles aufgeben, wonach ich seit Jahren strebe. Ich habe eine ziemlich harte Zeit hinter mir, aber immer hat mich die Hoffnung aufrechterhalten, reisen zu können, wenn ich erst einmal mein letztes Examen hinter mir habe. Wenn ich jetzt morgens aufwache, kribbelt es mich direkt in den Beinen loszuwandern; es kommt mir gar nicht so sehr darauf an, wohin, nur fort, irgendwohin, wo ich noch nicht gewesen bin.«
Das Ziel schien jetzt schon sehr nahe. Mitte nächsten Jahres würde er mit der Arbeit im St. Luke’s Hospital fertig sein, dann wollte er nach Spanien. Er konnte es sich leisten, ein paar Monate dort zu bleiben, kreuz und quer durch das Land zu ziehen, das für ihn der Urbegriff alles Romantischen war. Danach würde er Anstellung auf einem Schiff finden und nach Osten fahren. Das Leben lag vor ihm, und die Zeit zählte nicht. Wenn er Lust hatte, konnte er herumstreunen, Orte besuchen, an die niemand sonst reiste, zwischen fremden Menschen weilen, die ihr Leben auf fremde Art lebten. Er wusste nicht, was er suchte oder was seine Reisen ihm bringen würden, aber er hatte das Gefühl, als müsste sich ihm das Leben von einer neuen Seite offenbaren, als würde er irgendeinen Schlüssel finden für das Geheimnis, das er gelöst hatte, nur, um es noch geheimnisvoller zu finden. Und sogar wenn er nichts fand, könnte er die Unruhe besänftigen, die an seinem Herzen zehrte. Dr. South erwies ihm eine große Freundlichkeit; es schien undankbar, das Angebot ohne bestimmten Grund abzulehnen, und so versuchte Philip, ihm in seiner schüchternen Art, so nüchtern es nur ging, auseinanderzusetzen, warum es für ihn so wichtig sei, dass er die so leidenschaftlich gehegten Pläne ausführte.
Dr. South hörte schweigend zu. In seine alten, listigen Augen kam ein sanfter Ausdruck. Philip nahm es als besondere Freundlichkeit auf, dass Dr. South ihn nicht drängte, sein Angebot anzunehmen. Er schien Philips Gründe gut und richtig zu finden. Er ließ das Thema fallen und sprach von seiner eigenen Jugend. Er war in der Marine gewesen, und die lange Verbundenheit mit dem Meer hatte ihn veranlasst, seine Praxis in Farnley aufzumachen, als er sich vom Seedienst zurückzog. Er erzählte Philip von vergangenen Tagen auf dem Stillen Ozean und von wilden Abenteuern in China. Er hatte an einer Expedition gegen die Kopfjäger in Borneo teilgenommen und hatte Samoa besucht, als es noch ein unabhängiger Staat war. Auf ihren Reisen hatten sie auch die Koralleninseln gestreift. Verzaubert hörte Philip zu. Nach und nach
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