Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman
die zwischen ihm und Ida Marie lagen.
»Da muss der Altersunterschied ja nicht unbedingt eine Rolle spielen. Aber wir sollten mit diesem Carsten Kamm sprechen.«
»Der ist im Übrigen verheiratet«, sagte Hansen und ließ sich schwer in den Sitz fallen.
»Das ist allerdings eine ganz andere Geschichte.«
Wagner parkte aus und warf noch einen flüchtigen Blick in Richtung Bäckerei. Hansen hatte jetzt keine Augen mehr für die Auslage. Wagner überlegte, ob es ein Zufall war, dass sich die Gewalt von Hooligans erneut in diesen merkwürdigen Fall geschlichen hatte.
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Kapitel 10
Die Aussicht war das Teure. Nicht etwa das dünn belegte Sandwich, das hauptsächlich aus Rucola und Sandwichcreme bestand. Aber zugegebenermaßen war es auch ein sehr gemütlicher Ort an dem freigelegten Fluss, fand Dicte und kaute fröhlich drauflos, während sie ihren Blick über die Menschenmengen wandern |64| ließ, die am Ufer spazieren gingen. Man bezahlte eben für die Atmosphäre.
»Zehn Minuten?«
Unaufgefordert ließ sich Bo auf den Stuhl gegenüber gleiten. Er sah so aufgeregt aus wie ein Kind, das auf den Rummel geht.
Sie sah auf die Uhr.
»Ich muss in einer Dreiviertelstunde in der Gerichtsmedizin sein. Schieß los!«
Sie sprach mit vollem Mund. Sein Enthusiasmus war ansteckend, ihr Herz hatte bereits heftig zu hämmern begonnen.
»Ich habe mir ein paar Mails mit meinem Kollegen da unten hin und her geschickt. Janovi¨ heißt er, netter Kerl. Arbeitet bei einer Wochenzeitschrift, deren Titel übersetzt so viel wie ›Eine ganze Woche‹ bedeutet.«
»Du meinst die im Kosovo? Und?«
Er nickte und nahm einen Schluck aus ihrem Wasserglas.
»Natürlich, Kosovo! Am 5. März 2005 fand man die Leiche einer jungen, albanischen Journalistin, Janet Rugova, in unmittelbarer Nähe des Stadions Gradski in der Innenstadt von Priština. Alle gingen davon aus, dass sie von serbischen Nationalisten getötet wurde, die ihrer Artikel über ein freies Kosovo für Albaner überdrüssig geworden waren.«
Er schnappte sich ein Rucolablatt von ihrem Teller, schob es sich in den Mund und verzog dann das Gesicht, weil es ihm zu bitter war.
»Die Albaner stellen bei einer Bevölkerungszahl von vier Millionen etwa fünfundneunzig Prozent der Einwohner. Im Krieg soll es in diesem Stadion zu Massakern gegen Albaner gekommen sein. Der Ort hat eine große, symbolische Bedeutung. Der Fund der Leiche hat zusammen mit anderen Ereignissen zu den schlimmsten Zusammenstößen zwischen Albanern und Serben seit Ende des Krieges geführt. Hörst du überhaupt zu?«
Sie blinzelte. Ihre Gedanken hatten sich bereits auf den Weg gemacht. Kosovo und Ex-Jugoslawien und tote Journalisten, Hunderte von Kilometern entfernt. Bis auf die ausgestochenen |65| Augen sah sie keine Parallelen. Und offensichtlich war auch nicht zum ersten Mal eine Leiche mit dem Fußballstadion in Verbindung gebracht worden. Am Abend zuvor hatte das alles noch so einleuchtend geklungen, als gäbe es einen Zusammenhang. Aber bei Tageslicht betrachtet war sie gar nicht mehr sicher, ob Mette Mortensens Tod irgendetwas mit dem Tod einer Journalistin in Priština vor zwei Jahren zu tun hatte.
»Natürlich höre ich zu.«
»Der Mord wurde nie aufgeklärt.«
»Aber sie gingen davon aus, dass es ein politischer Mord war?«
Bo nickte.
Es lag auf der Hand. Eine Journalistin, die provozierende Artikel schrieb, war ein naheliegendes Opfer.
»Weiß jemand Bescheid, woran sie gerade arbeitete?«
Diese Art von Anschlag konnten sie verstehen, dachte Dicte. Dieser Mord hatte eine Logik, wie abscheulich er auch war. Etwas anderes mochte man sich einfach nicht vorstellen. Der zufällige und sinnlose Mord.
Bo schüttelte den Kopf.
»Danach habe ich auch gefragt. Janovi¨ ist gut mit Janet Rugovas Bruder befreundet, der als Fotograf arbeitet. Sie schien nicht an einer bestimmten, hochexplosiven Sache dran gewesen zu sein.«
»Wie ist sie denn getötet worden?«, fragte Dicte.
Bo beugte sich über den Tisch.
»Die Todesursache ist ein Schlag auf den Kopf. Aber sie haben ihr nicht nur die Augen entfernt. Jemand hatte die Knochen ihrer Beine gegen PVC-Rohre ausgetauscht.«
Paul Gormsen hatte frei, darum nahm sich die neue Kollegin Hanne Fridtjof die Zeit, Dicte die Regeln zu erläutern. Sie erklärte, dass die Untersuchung ergänzender Proben, die der Leiche entnommen worden waren, mitunter lange dauern könne.
»Wir alle können uns gut in die Gefühle der Angehörigen
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