Der mieseste Liebhaber der Welt
Idee
hielt, vor dem Tannenbaum ein bisschen Hausmusik zu machen. Ich verzichtete darauf, mit ein paar alten Freunden über Silvester
nach St. Anton zu reisen, obwohl ich Skifahren liebe – und Karneval kannte ich seit ein paar Jahren auch nur noch aus dem
Fernsehen. Ich denke, ich hatte eine Menge, und ich meine: eine MENGE Kompromisse gemacht. Und das Schöne daran: gerne. Sehr
gerne. Ich liebte es. Weil ich es freiwillig getan hatte. Weil ich gemerkt hatte, wie sehr Svenja sich darüber freute. Weil
ich es für einen verdammten Glücksfall hielt (und halte), dass wir uns getroffen haben,und weil ich mich jede Nacht in dem Bewusstsein an sie rangerobbt habe, dass wir
alles
zusammen hinkriegen. Was war dagegen schon ein kleiner Ausrutscher mit einer scharfen Praktikantin auf der Weihnachtsfeier?
Maximal zwölf Stunden hatte ich in die gesamte Affäre investiert, und da sind die beiden Texte, die ich ihr für das Moderessort
geschrieben habe, schon mit drin. Wir haben es auf der Weihnachtsfeier einmal unter dem Klamottenberg getrieben und dann noch
einmal nach Büroschluss auf dem Schreibtisch unserer Chefredakteurin, weil die Kleine eine Vorliebe für die Exotik des Alltags
kultivierte. (Mila, nicht MGG.) Das war’s. Meine Güte, ich hätte emotional nicht unbeteiligter als beim Kauf eines Hamsters
sein können. Und das galt auch für Mila. Der Sex mit ihr machte Spaß, er war ohne großes Getöse
möglich
und in ihrem Fall nutzte es sogar ihrer Karriere – ein bisschen. In Milas Vita war ich nicht mehr als eine kleine amüsante
Randnotiz. Die zierliche Halbungarin weiß bis heute genau, was sie will und wer ihr dabei helfen kann. Freundschaften sind
ihr nicht so wichtig, aber dafür hat sie
Kontakte
. Inzwischen steht auf ihrer Visitenkarte »Creative Director East Europe«, und ich wette ein Jahresgehalt, dass sie sich klimatisch
in Zukunft auch noch verbessert.
Warum zum Teufel hielt Svenja dieses kurze erotische Wetterleuchten für bedeutender als alles, was wir uns in drei Jahren
gemeinsam aufgebaut hatten? Ich verstand es einfach nicht. Ich entschied mich, gelassen auf den Tag zu warten, an dem meine
Lebensgefährtin ihr Kommunikationsembargo beenden würde. Ich hatte nicht vor, das zu beschleunigen. Ich würde abwarten und
fühlte mich glänzend auf den Tag X vorbereitet. Dafür, dass ich jetzt schon ein paar Jahre bei einem Frauenmagazin arbeitete,
schien ich wirklich nicht viel verstanden zu haben.
Ende Januar tauchte Svenja endlich wieder auf. Mit all ihren Taschen, einem irritierend fröhlichen Lachen auf dem Gesicht
und der Ankündigung:
Wir müssen reden
. Als mir dann noch mitgeteilt wurde, dass die Unterredung im »Makassar« stattfinden würde, konnte ich mir schon ausrechnen,
dass Svenja den Löwenanteil unserer Unterhaltung bestreiten würde. Das »Makassar« war unser Laden für besondere Gelegenheiten.
Ein französisch-kreolisches Restaurant mit einem grandiosen Holunderblüten-Prosecco und einer interessanten Preisgestaltung.
Hier landeten wir nur, wenn Jahrestage, Beförderungen oder Derbysiege der Löwen gegen Bayern gefeiert wurden. Dass Svenja
ausgerechnet dort einen Tisch reserviert hatte, konnte eine Menge heißen – dass es so weiterging wie bisher, war allerdings
auszuschließen. Im Nachhinein nenne ich den Abend gern das »Massaker im Makassar«. Ich hatte kaum mein Gläschen Prosecco inhaliert,
da legte meine Noch-Lebensgefährtin los.
Dass sie es leid sei, mit einem verantwortungslosen Pubertisten zusammenzuleben. Dass sie jetzt mal ein wenig mehr
Commitment
sehen wolle. Kein Rumgesülze mehr, kein »mal schauen, was so geht«. Sondern stattdessen eine erwachsene Beziehung auf Augenhöhe.
Mit der Option auf Bausparvertrag, einem Häuschen im Grünen plus einem großen Kinderzimmer zum Garten raus. Außerdem hätten
diese unappetitlichen Frauengeschichten aufzuhören. Sie müsse ein wenig Vertrauen in ihren Partner setzen können. Ich glaube,
ihr Kernsatz in dieser Hinsicht lautete: »Ich möchte mir nicht jedes Mal, wenn mein Mann zehn Minuten zu spät aus dem Büro
zurückkehrt, vorstellen, dass er gerade dabei ist, es einer Brasilianerin auf dem Transenstrich nach allen Regeln der Kunst
zu besorgen.«
Wie kam die Frau nur auf so was? Ich hatte es noch nie einer Brasilianerin besorgt. Auf dem Transenstrich. Nach allen Regeln
der Kunst.
Aber es war zwecklos, sich an diesem Abend mit Svenja über Details zu
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