Der Minus-Mann
Teppich.
Ich zünde mir eine Zigarette an und warte.
»Also«, sage ich dann.
Sie hebt den Kopf, sieht mich aus verquollenen Augen an. Sie versucht sich aufzurichten, schafft es nicht. Sie krümmt sich und weint leise.
»Hol das Geld«, sage ich.
Sie kriecht zum Bett und zieht sich hoch. Dann stützt sie sich am Bettrand. Sie preßt eine Hand gegen den Körper, steht verbogen und versucht, zur Tür zu gehen. Die Knie knicken ihr weg, und sie schlägt gegen den Türstaffel.
»Ich brauch’ es für mein Kind«, schluchzt sie.
Das würde ich glauben, wenn ich nicht wüßte, daß sie sich seit vier Jahren um ihr Kind nicht eine Minute gekümmert hat und … auch kein Geld dafür verwendet hat … ich habe Leute aus der Branche gefragt, und die haben mir einiges von ihr erzählt … zum Beispiel, daß sie regelmäßig einen Herrn unterschlägt. Tommy hat sie beobachtet und mich gefragt, wie lange ich noch Geduld mit ihr hätte. Mißtrauisch wurde ich schon am ersten Tag, sie geht schon zu lange im horizontalen Gewerbe, um so überstürzt abzuliefern. Sie lehnt sich gegen den Türpfosten, dann geht sie langsam und unsicher in die Küche. Sie kramt zwischen Emaillegeschirr. Ich höre es klappern. Dann kommt sie mit einem Packen Geldscheine in der Hand. Zögernd streckt sie die Hand aus. Ich stecke die Scheine in die Rocktasche, gehe durch das Zimmer, nehme meinen Mantel vom Haken und verlasse das Haus.
Totschlagverdacht, Urkundenfälschung … die Polizei war bei Mutter. Seit einigen Tagen ist sie aus dem Krankenhaus. Ich bin mit der Frau und dem Baby bei ihr.
»Aber du hast das doch nicht getan«, sagt Mutter.
»Nein … da möchte mir jemand etwas anhängen«, sage ich. Mutter ist nervös und die Frau hysterisch. Ich bin angespannt, am ruhigsten ist die Kleine. Sie lächelt freundlich und quiekt. Da sitze ich mit der Flasche, und sie saugt ernsthaft. Mutter und die Frau sind bei Nachbarn. Plötzlich klopft es. Die beiden sind es nicht, sie haben Schlüssel mitgenommen. Ich halte die Kleine am Arm und habe sie geschaukelt, daß sie ›hicke‹ macht. Es klopft wieder. Ein hartes, aggressives Klopfen. Ich gehe in das Vorzimmer, ziehe meine Pistole aus dem Mantel und schiebe sie in den Wickelpolster. Die Waffe ist durchgeladen. Dann öffne ich die Tür. Der Schweiß rinnt mir aus den Achseln. Die Kleine stößt geräuschvoll auf, schaut selbstzufrieden. Ein Unbekannter steht vor mir. Er sucht meine Mutter, ist Versicherungsagent … ich habe Lust, ihm den Schädel einzuschlagen, dann werfe ich ihm die Tür vor der Nase zu, sperre ab und stecke die Pistole wieder in den Mantel, dann lege ich die Kleine auf den Diwan. Sie kullert die Augen und macht Fäuste.
… nein … nein … Speckfaltenzwerg, das ist für dich keine Umgebung … was will ich … ›das weiß ich nicht‹ … ich höre hin, aber das weiß ich auch …
Meine Frau geht zwei Tage später mit dem Kind zu ihren Eltern zurück, wir geben die Wohnung auf, und ich treibe … Lokale, Gesichter, Weiber … besoffen und verrückt … Erika hängt mir einen Tripper an, oder ist es eine der Nachtasseln … es ist egal … dann wird Erika verhaftet … wegen Beischlafdiebstahl … ich vergesse sie.
Selten telefoniere ich mit meiner Frau. »Sie hat schon sechs Kilo«, sagt sie, und ich warte bei der Mütterberatungsstelle, aber dann rede ich sie nicht an, weil ich dreckig und unrasiert bin. Das Geld geht zu Ende. Ich besorge mir drei Millionen Einheiten Penicillin und jage sie mir in die Arschbacke. Dann gabelt mich Vera auf, eine hautkranke Nymphomanin. Es hat sich alles gegen mich verschworen. Jancsi ist in Deutschland, Helmut ebenso, der Rest sitzt im Landesgericht. Walter ist mir nicht sicher genug. Einige andere auch nicht. Der Griff zum Telefon, es ist zu einfach. Vera spielt Hausmütterchen, wäscht und kocht und ist fickrig wie ein ganzes Frauenzuchthaus. Mit Mühe entgehe ich im Biedermeier einer Razzia.
Welche der Süßen hat angerufen?
»Brauchst du dreitausend Schilling«, fragt mich ein schmächtiger Mann, »der Walter hat mir deinen Namen gesagt, und wo ich dich finden könnte.«
Er hat gespreizte Zähne und eine schlaffe, feuchte Hand. Es ist zehn Uhr abends im Wienerwald in der Fasangasse. Ich bin seit einigen Tagen wieder häufig hier. Das Lokal ist ungefährlich, und Veras Wohnung ist in der Nähe. »Was willst du«, sage ich. Er bestellt ein Glas Wein, wartet, bis das Serviermädchen gegangen ist.
»Walter hat mir gesagt, daß du
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