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Der Minus-Mann

Der Minus-Mann

Titel: Der Minus-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Sobota
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stoße die Türe zum angrenzenden Büffet auf. Es ist leer. Eine Bedienung steht hinter der Theke, reiht Tassen aneinander. Ich stehe wie auf Schaum. Tische, Stühle, Scheiben, auch der Garten dahinter erscheinen mir unscharf. Am Tisch, an der Seitenwand neben der Theke, sitzt jemand. Ich gehe einige Schritte näher.
    Ein zartbraunes Gesicht unter schwarzem Haar. Schräge Augen. Sie sieht mich an. Dunkle Augen, belustigt und weich. Eine kurze, aufgedrehte Nase. Lippen teilen sich in einem Lächeln. Ich bin nahe bei ihr.
    »Du«, sage ich, »du trinkst doch Kaffee mit mir.«
    Der Sessel ist hart, meine Muskeln schmerzen.
    »Ja«, sagt sie, »bist du sehr betrunken?« Es fällt mir schwer, etwas zu antworten.
    »Ja«, sage ich dann, »betrunken und müde.«
    Das Mädchen zündet eine Zigarette an, steckt sie mir zwischen die Finger.
    »Ich hole den Kaffee«, sagt sie und geht.
    Warum ist sie schön? Aus schmaler Taille geht sie, geschmeidig und leicht. Ich spüre ihre Schritte auf meiner Haut. Plötzlich bin ich alt und erschöpft. Wozu wird dieser Tag? Noch bin ich betrunken, kann Polster gegen die Tatsachen schieben. Die Sonnengläser mildern das ungebärdige Licht. Mit den Tassen kommt sie, schlank, fast nackt.
    »Nimmst du die Sonnenbrille ab, bitte«, sagt sie.
    Der Kaffee ist heiß, wenigstens heiß, die Sonnenbrille lege ich auf den Tisch.
    »Du bist sehr betrunken«, sagt sie und schüttet Zucker in ihre Tasse.
    »Ich weiß«, sage ich.
    Es ist gut, daß sie da ist, angenehm.
    »Wie heißt du?« frage ich.
    »Jasmin«, sagt sie und lacht.
    »Wo hast du diesen idiotischen Namen her?« frage ich.
    »Ich arbeite als Tänzerin, und da habe ich mir diesen Namen ausgesucht. Gefällt er dir nicht?« sagt sie und macht ein Lausbubengesicht.
    »Wo arbeitest du?« sage ich.
    »Im ›Club-Cafe‹, als Stripperin. Kennst du es?« sagt sie.
    »Ja«, sage ich.
     …vor sechs Jahren war es noch ein Kaffeehaus, dann eine Unterweltskneipe, und jetzt ist es ein gutflorierendes Nachtlokal.
    »Legen wir uns in den Garten?« fragt sie. Ich gehe hinter ihr, schaue auf die langen Beine, den Spalt der Pobacken über dem Höschengummi. Dann liegen wir auf zurückgeklappten Stühlen. Sie küßt mich auf die Wange. Ich ziehe sie auf mich.
    »Leute sehen uns zu«, sagt sie und küßt meinen Hals.
    »Es gibt keine Leute«, sage ich.
    »Nein, es gibt niemanden, nur dich, du betrunkener Lieber«, murmelt sie in meinen Mund. Ihr Atem ist frisch, die Haut duftet. Ich schließe die Augen.
    Dann umhüllt mich ihre helle Stimme. Sonne gräbt in meine Haut. Ich schlafe ein.
    Ich höre Gemurmel, meine Haut ist heiß. Die Trunkenheit fort.
    Neben mir liegt das Mädchen. Eine ihrer Hände liegt auf meinem Arm. Karl räkelt sich am Bassinrand. Er sitzt auf einer Bank. Karl ist ein Killer und selten in der Badehose zu sehen. Er winkt zu mir herüber. Neben ihm steht seine Saunatasche, sie ist sicher schwer, und er trennt sich nie davon. Das Mädchen atmet ruhig. Die glatte Haut fühlt sich seidig an. Meine Fingerspitzen berühren ihren Bauch, die Schenkel. Sie liegt bewegungslos. Dann kraust sie die Nase. Mit noch geschlossenen Augen greift sie nach mir.
    »Bist du durstig«, sagt sie, sich aufrichtend. Licht zaubert blaue Schatten in ihr Haar.
    »Einen großen Whisky mit viel Eis«, sage ich. Sie geht. Männer spielen an Nebentischen Karten, schauen ihr nach.
    – Stella, du gehst zwischen Gras und Blumen. Ich liege hier in der Sonne mit einem schönen, dummen Tier.
    Ohne Begehren schaue ich ihr entgegen. Sie stellt das Glas auf die Lehne.
    »Mußt du ein finsteres Gesicht machen? Kann ich nichts tun?“ fragt sie.
    »Nein«, sage ich und trinke.
    Sie legt sich, blättert in einem Buch.
    »Stille Tage in Clichy, du kennst es«, sagt sie.
    »Ja«, sage ich. Sie zündet zwei Zigaretten an, schaut in den Rauch.
    »Ich bin ein dummes Mädchen. Ich weiß nichts, außer vielleicht über Pferde. Ich bin viel geritten, früher, auf dem Land. Ich kann nirgends mitreden. Wird dich das sehr stören, wenn …«, sagt sie und bricht ab. Sie kauert plötzlich neben dem Liegestuhl, preßt meine Hand, »du mich bei dir bleiben läßt«, sagt sie weiter. Bei mir? Ich berühre mit einer Hand ihr Gesicht. Was meint sie damit?
    In dieses verrückte Karussell sollte ich sie hineinnehmen? Ernst nehmen soll ich sie? Nicht bloß ins Bett möchte sie mit mir, bleiben will sie? Ich klettere aus dem Lehnstuhl.
    »Ich werde nachdenken«, sage ich und greife mir ein

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