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Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers

Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers

Titel: Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Altmann
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sollte er morgen das Spiel überstehen? Er würde so gerne mit einem Menschen über all das sprechen. Aber es gab niemanden. Warum? Waren seine Gefühle wirklich so schlecht oder falsch, dass er sie nicht teilen konnte? Warum konnte er nicht so sein wie seine Kollegen? Warum konnte er nicht einfach eine nette Freundin haben? Die sein Leben mit all seinen Höhen und Tiefen mit ihm teilte. Er begann zu heulen, immer lauter und verzweifelter. Zitternd und frierend schleppte er sich zum Bett. Deckte sich bis zur Nase zu und hielt sich am Kissen fest, als wäre es ein lieber Mensch. In diesem Zustand schlief er dann irgendwann vor Erschöpfung ein.
    In der Umkleidekabine herrscht vor jedem Spiel absolute Ruhe und höchste Konzentration. Dabei hat jeder Spieler seine eigenen Rituale, wie er sich auf ein Spiel vorbereitet. Der Trainer gibt nur noch einige kurze Anweisungen. Marc nutzt immer die Gelegenheit, sich nochmals vom Masseur kurz lockern zu lassen. Danach begibt er sich in eine Art Meditation, die er zur persönlichen Vorbereitung braucht.
    Jede Sehne seines Körpers schien dabei gespannt und konzentriert. Jeder Kollege weiß, dass man ihn in dieser Phase in Ruhe lassen sollte. Versunken im Gedanken an das vor ihm liegende Spiel zog er seine Shorts über seine scheinbar nur aus Muskelfasern bestehenden Beine. Dann setzte er sich wieder. Die Welt um ihn herum, interessierte ihn nicht. Einzig er, und das vor ihm liegende Spiel, gab es für ihn. Bedächtig zog er seine Socken über seine harten Waden und schnürte sich langsam seine Schuhe. Nur ein kurzer Blick zu seinen Kollegen. Dann wieder er – sonst nichts. Das T-Shirt mit seiner Nummer fiel über seinen Körper, als würde es zur zweiten Haut werden. Seine Bauchmuskulatur zeichnete sich ab. Leichter Schweiß ließ seine Stirn glänzen. Er atmete nochmals durch, nur für sich selbst, und stand auf. Er war bereit. Wie vor jedem Spiel. Er war bereit, die Verantwortung für dieses Team zu übernehmen. Er war bereit, sein Äußerstes zu geben.
    Mit Manólis, Stefano und René tauschte er noch einige Worte aus. Sie fühlten sich in Marcs Gegenwart sicher. Er strahlte Respekt aus, ohne dafür irgendeine Nummer abziehen zu müssen. Allein sein Können, seine Ruhe und seine Konsequenz reichten ihnen.
    Dann ging es raus aufs Spielfeld. Der Gang, von den Kabinen über die leeren Betongänge, durch den Tunnel ins Stadion, ist für alle Spieler ein beeindruckender Moment. Marc hört schon von Weitem das Toben der Fans. Dieser Augenblick machte ihn immer seltsam ruhig. Jedes Mal überkam ihn eine Mischung aus Verantwortung, der er sich gewachsen fühlte, und einem Kitzeln im Bauch. Wie ein Wolfsrudelführer kurz vor der Jagd. Durch die Konsequenz in seinem Leben. Durch das konzentrierte Arbeiten, hin auf diesen Moment, fühlte er sich vorbereitet und sicher. Dann der Blick in das Stadion. Die Massen, die ihm zujubelten. Die ganze Szenerie erinnerte an einen Gladiatorenkampf.
    Zuerst die Tage der Einsamkeit und Abgeschiedenheit nur mit seiner Mannschaft vor einem wichtigem Spiel. Und plötzlich diese Menschenmassen! Er ist sich bewusst, wie viele unter den Zuschauern sein Leben, seine Karriere begleiten. Er spürt auch die Fans, die hinter ihm stehen. In diesem Moment scheint es, als ob er die bei Weitem beliebteste Person sei. Jeder bewundert ihn, jeder beneidet ihn, viele würden alles dafür geben, sein Leben leben zu dürfen.
    Trotzdem fühlte sich Marc heute einsam. Es wäre ihm lieber, dort säße jemanden, mit dem er verbunden war. Mit dem er dies alles teilen konnte. Einen Menschen, den er offen lieben durfte, einen Menschen, zu dem er stehen konnte. In dieser Welt. Nur kurz erlaubte er sich diese Gedanken.
    Schon wärmte er sich auf. Versuchte, sich nur aufs Wesendliche zu konzentrieren. Auf das Spiel, seine Mannschaft und den Gegner.
    Eins zu null, Marc schoss das Tor. Halbzeit. Cool-down für mindestens vier oder fünf Minuten. Eine herrliche Ruhe. Dann begannen die Diskussionen. Marc regte sich auf, und alle hörten auf ihn. In diesen Sekunden war er wieder ganz der Profi, der alles andere hintanstellte. Für das Spiel. Für die vorgegebene Strategie.
    Nach der Halbzeit dieselbe Konzentration, dieselbe Spielfreude. Kein Wunder, es gab ja sonst nichts. Aber wie lange hielt ein Mensch so einen einseitigen Druck aus? Wie lange konnte sich ein Mensch so verleugnen, ohne dass es ihn die Energie kostete, die er für solche Ausnahmesituationen brauchte?
    Durch das

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