Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers
ausgiebigen Brunch ein. Auch den Champagner, Willmas Lieblingsgetränk, vergaß er nicht. Dann kaufte er noch Blumen für den Tisch und machte sich mit den Einkäufen auf den Weg nach Hause. Diesen Ausdruck, nach Hause kommen, hatte er auch schon lange nicht mehr verwendet. Die letzte Zeit hatte er außer seinen Zielen nichts mehr wirklich wahrgenommen. Heute schien es ihm, als ob er die letzten Wochen nur schwarz-weiß gesehen hatte. Und nun, wenn er so über seine Terrasse schaute, begann alles, bunt zu werden. Er hatte das Gefühl, wieder zu leben.
Verwirrt über seine gute Laune machte er sich in der Küche zu schaffen. Gerade als das Wasser für die Eier kochte, klingelte es. Typisch Willma, dachte er lachend, immer das richtige Timing. Willma war zurechtgemacht, mehr als sonst, das fiel ihm gleich auf. Auf ihn wirkte sie noch distanzierter als früher. Aber Marc nahm sie in die Arme und erklärte ihr, wie froh er war, sie wiederzusehen. Sie war überrascht über so viel Zuneigung. Während Marc den Brunch fertig machte, blätterte Willma in den verschiedensten Sportjournalen.
»Du avancierst ja immer mehr zum Sexsymbol des Fußballs. Die letzte Kampagne für den Sportklamottenhersteller ist ja wirklich geil! Wenn du nicht mehr spielen willst, könntest du direkt ins Modelbusiness wechseln?«, rief sie süffisant vom Sofa hinter Bergen von Kissen zu Marc in die Küche. Und er entschuldigte für den Ehrgeiz seines Vaters, der jede Chance, Marcs Marktwert zu steigern, nutzte.
»So, der Tisch ist gedeckt, du kannst kommen.« Willma staunte. So ein feierlich gedeckter Tisch und alles nur für sie. Man sah ihr die Überraschung darüber, dass Marc sich so viel Mühe gab, um ihre Freundschaft wieder auf Vordermann zu bringen, förmlich an. Sie stießen mit Champagner an, bevor Marc sich räusperte. Doch Willma wollte erst einmal den Brunch mit ihrem alten Freund genießen und ließ sich auf keine tiefschürfenden Gespräche ein.
Sie erzählte von ihrem Alltag im Krankenhaus. Sie wirkte ausgeglichen und glücklich. Marc freute das sehr. Denn, wenn er in seinem Leben jemandem das Allerbeste wünschte, dann war es Willma. Endlich begann Marc nun, über sein eigentliches Anliegen zu reden. Er stocherte dabei mit der Gabel in dem mit Melonenschalen überhäuften Teller herum.
»Willma, du musst mir helfen. Ich kann nicht mehr so weiterleben. Zuerst dachte ich mir, ich könnte alles ausblenden und nur an meine Karriere denken. Das ist aber ein Ding der Unmöglichkeit. Ich kann nicht mehr schlafen. Ich bin meist total unkonzentriert, und ich fühlte mich furchtbar einsam.« Er erzählte ihr auch vom letzten Besuch von Christian.
Noch immer starrte er auf den Teller. Er konnte Willma nicht ins Gesicht blicken. Sein Kopf fühlte sich heiß an, und er spürte seinen Puls, so als wäre er ein ganzes Spiel über nur gelaufen.
Willma sagte kein Wort, sie hörte ihm nur aufmerksam zu und ließ ihn dabei keine einzige Sekunde aus den Augen. Jede kleinste Geste, jede Bewegung versuchte sie einzufangen.
»Ich weiß nicht, was ich tun soll, ich weiß nur, dass ich so nicht weitermachen kann.«
Endlich blickte er von seinem Teller zu Willma. Tränen standen in seinen Augen.
»Ich fühle mich so einsam, und ich hasse mich oft selbst. Warum kann ich nicht einfach dich lieben, aber das ist wieder so egoistisch gedacht von mir. Mich kotzt mein Selbstmitleid und mein Egoismus an. Du bist so ein wunderbarer Mensch, und ich hab keine Ahnung, wie du mich erträgst.«
Willma ignorierte seine letzten Worte. »Du liebst mich doch, anders eben«, sagte sie so nebenbei wie möglich.
»Du bist gesund, du siehst gut aus, du hast Erfolg in deinem Beruf. Was willst du denn, Marc?«
Sie hielt inne, und es entstand eine Pause, aber er sagte nichts.
»Marc, du bist schwul! Das ist keine Krankheit! Das ist die Realität, und damit musst du lernen zu leben. Ich sehe ein, dass ein Outing in deinem Job Selbstmord wäre. Aber das lässt sich arrangieren. Dafür gibt es ja Freunde. Freundschaft, weißt du eigentlich, was das heißt?«
Pause.
»Nein? Für mich bedeutet es, dass man in guten und in schlechten Zeiten füreinander da ist. Glaubst du wirklich, dass ich nicht gemerkt habe, dass dir die Geschichte mit Christian wehgetan hat? Natürlich war ich wütend, aber das musst du mir auch zugestehen.« Jetzt musste sie lachen. »Manchmal hätte ich euch beiden gerne die Eier abgeschnitten.«
Nun musste auch Marc lachen.
Er war so froh, dass
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