Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers
Willma wieder normal mit ihm sprach. Er hatte so furchtbare Angst, dass sie ihm die Freundschaft kündigen würde. Und jetzt saß sie da. Neben ihm. In seiner Wohnung und sprach wieder so wie in alten Zeiten.
»Hey, Kleiner, glaub mir, wir schaffen das. Immerhin kann ich dir einiges an Ratschlägen darüber geben, wie man sich als Randgruppe durchs Leben schlägt.«
»Du meinst Schwulsein und Farbigsein …«, setzte Marc an, dann musste er breit grinsen: »Oh mein Gott, jetzt sind wir echt zwei Außenseiter!«
Nun kam Willma auf ihn zu und umarmte Marc. Irgendwie hatten sie das Gefühl, dort angelangt zu sein, wo sie vor ein paar Monaten waren. Nein, diese Geschichte hatte ihre Freundschaft sogar vertieft.
4.
»Bringen Sie mir bitte noch ein Bier.« Marc hatte den Satz kaum zu Ende gesprochen, da sprintete die Stewardess schon los.
»Was ist denn mit dir los?« René, der neben Marc saß, wunderte sich über dessen gute Laune. »Seit ein paar Tagen bist du wie ausgewechselt. Deine gute Laune nervt, und anscheinend säufst du jetzt auch noch.«
»Na, Mann«, antwortete Marc so laut, dass es alle hören konnten. »Nur weil die Stewardess auf mich steht, musst du nicht so angepisst sein!«
Alle lachten. René schaute ihn mit Verachtung an, musste dann aber selbst grinsen. Sie waren auf dem Rückflug eines Auswärtsspiels. Sie hatten wieder einmal gewonnen.
Die Stimmung war ausgelassen, und vor allem Marc feierte sich selbst. Marc spürte Jans Blicke auf sich. Er hatte das Gefühl, dass Jan ihn in letzter Zeit ständig beobachtete. Marc versuchte, so ausgelassen und fröhlich wie möglich mit seinen Teamkollegen zu feiern, und hoffte, Jan würde ihm die Maskerade abnehmen. Das besorgte Gesicht, mit dem Jan ihn musterte, machte ihn nervös.
Am nächsten Tag fand die große Sportlergala statt, Marc war für den Preis als ›Sportler des Jahres‹ nominiert.
»Du solltest engere Anzüge tragen«, erklärte ihm Willma.
Sie waren gemeinsam zum Shoppen unterwegs. Da sie Marc auf die Gala begleitete, hatte er ihr ein schönes Kleid versprochen. Aber nun waren sie in der Herrenabteilung hängen geblieben. Willma hatte an jedem Anzug, den Marc probierte, irgendetwas auszusetzen. Die Verkäuferin war zu Marc sehr freundlich, da sie ihn erkannt hatte und er ihr für ihren Sohn ein Autogramm versprochen hatte. Für Willma hingegen hatte sie nur abschätzige Blicke übrig.
»Endlich!«, schrie Willma.
Marc kam gerade mit dem siebten Anzug aus der Umkleidekabine.
»Der ist es! Du siehst wirklich umwerfend aus«, und zur Verkäuferin sagte sie im selben Atemzug, »können wir den dann morgen früh abholen?«
Die Dame wendete sich mit all ihrer gespielten Liebenswürdigkeit an Marc. »Natürlich können Sie ihn morgen haben, ich stecke ihn nur ab. Sollen wir ihn dann nicht besser zu Ihnen nach Hause liefern?«
Marc grinste, er wusste genau, was Willma in diesem Moment dachte. Aber er antwortete in derselben gespielten Freundlichkeit der Verkäuferin: »Das wäre sehr lieb.«
Als sie den Laden verließen, zischte ihm Willma ins Ohr, dass er ein Opportunistenarschloch sei und geradezu geboren für die oberflächliche Promiwelt. Er antwortete ihr ruhig: »Ich liebe dich auch.«
Willma wollte gerade in Richtung einer Boutique abbiegen, da hielt Marc sie zurück. »Willma, du kannst doch nicht in einen so billigen Laden gehen, wo du doch mit einem dummen Promiarsch unterwegs bist.«
Sie wusste nicht, was er damit meine, bis er sie an der Hand nahm und sie ein paar Häuser weiter zu Vivienne Westwood führte.
»Bist du wahnsinnig?«, fragte sie, »da kann ich mir ja nicht mal einen Gürtel leisten.«
»Aber ich«, erklärte ihr Marc mit gespielter Hochnäsigkeit.
In einem kleinen Café betrachteten sie sich ihre neuen Errungenschaften. Willma hatte kaum bestellt, da holte sie schon ihr Kleid heraus.
»Dafür, dass du Kapitalismus ablehnst, suhlst du dich aber ganz gekonnt in diesem Fetzten«, grinste Marc.
Willma sah ihn an und begann: »Hör mal her, mein Lieber, ein Kleid von Vivienne Westwood ist ein Kunstwerk, das hat nichts mit Kapitalismus zu tun. Es ist wie ein …«, sie suchte nach Worten, »wie ein Gemälde!«
»Um Ausreden bist du ja wirklich nie verlegen«, lachte Marc. Sie ließen den Abend mit einem kleinen Abendessen ausklingen und verabredeten sich für den nächsten Tag.
Heute war das Sportereignis des Jahres, und er vermutete, dass seine Chancen nicht schlecht standen, zum ›Sportler des
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