Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers
Jahres‹ gewählt zu werden. Einerseits erfüllte ihn dieser Gedanke mit Stolz, andererseits war es ihm gerade jetzt unangenehm, so in der Öffentlichkeit zu stehen. Nicht, dass er es nicht liebte, im Rampenlicht zu stehen, oh nein, er konnte diese Momente sehr genießen, es war einfach der Gedanke, dass er nicht als Ganzes dort oben stehen konnte. Es würde immer einen Teil von ihm geben, den er verbergen musste. Das machte ihn unsicher. Immerhin war er sonst für seine authentische Art bekannt. Ihm war bewusst, dass er zugrunde gehen würde, wenn er sich nur noch hinter dem Sport versteckte. Das hatte ihm sein Körper ja bereits deutlich gezeigt.
Willma wirkte in ihrem neuen Kleid wie eine dunkle Königin. Er war sehr stolz auf sie.
»Das ist ja fast wie bei der Oscarverleihung«, grinste sie Marc an, als sie vor dem Sportpalast aus dem Taxi ausstiegen. Ein roter Teppich zog sich über den ganzen Eingangsbereich. Als sie Hand in Hand den Weg zum Eingang spazierten, wurden sie von einem Blitzlichtgewitter begrüßt. Einige Reporter streckten Marc das Mikrofon ins Gesicht und überschütteten ihn mit Fragen. Willma wunderte sich, mit wie viel Geduld und Professionalität Marc diese ganzen Fragen beantwortete. Charmant und witzig konterte er jede Frage. Winkte irgendwelchen Funktionären und Kollegen zu und wirkte schon jetzt wie der Sieger des Abends. Er entdeckte seinen Vater, der bereits an einem der Tische saß. Der Tisch mit den Sponsoren, da war sein Vater wieder ganz in seinem Element. Marc atmete kurz durch, deutete Willma zu warten und ging zu seinem Vater. Sie begrüßten sich, und er schüttelte eine ganze Reihe von Händen, während sein Vater sichtlich zufrieden neben ihm stand und lächelte. Marc verabschiedete sich rasch wieder, mit einer entschuldigenden Handbewegung in Richtung Willma. Er hatte sich noch nicht mal umgedreht, da war sein Vater auch schon wieder dabei, ihn weiter zu vermarkten.
Eine Hostesse begrüßte Willma und Marc und wies ihnen ihren Platz zu. Marc flüsterte Willma ins Ohr: »Siehst du, mit mir kommst du wenigsten Mal zu einem anständigen Essen.« Sie grinste und gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf.
»Du siehst fantastisch aus, meine Kleine.« Und als sie sich setzten, kam Marc ganz nah, küsste sie auf die Wange und dankte ihr, dass sie für ihn mitspielte.
Die Halle war schon ziemlich voll. Lauter runde, festlich geschmückte Tische standen verteilt in diesem riesigen Raum. Kamerateams positionierten sich, und überall war nervös umherlaufendes Personal. Marc konzentrierte sich ganz auf Willma. Er erklärte ihr, wer die einzelnen Menschen hier waren. Wen er sympathisch fand, wen arrogant. Willma genoss diese Aufmerksamkeit. Und er war ihr unendlich dankbar, dass sie ihn begleitete.
Plötzlich stand ein junger Mann hinter ihnen, mit angedeuteter Verbeugung und einem entwaffnendem Lächeln: »Antonio!«
»Was?«, fragte Marc verwirrt. Denn der Junge sah verdammt gut aus, und Marc hatte keine Ahnung, was das zu bedeuten hatte.
»Mein Name ist Antonio!«
»Ach so, Entschuldigung. Marc, mein Name ist Marc, und das ist Willma.«
»Ich weiß«, meinte der Junge nur und grinste ihm frech ins Gesicht. »Ich bin heute Abend für euch da. Ich werde versuchen, euch alle Wünsche von den Augen abzulesen.« Er grinste erneut und fügte hinzu: »Und wenn ich sie nicht lesen kann, braucht ihr sie nur zu äußern!«
Willma beobachtete die ganze Szenerie und musste schmunzeln. Dieser kleine freche Typ hier hatte die Nerven und flirtete in aller Öffentlichkeit mit Marc.
Kurze Zeit später wurde das Licht gedimmt und eine Fanfare erklang. Eine langweilige Rede folgte der nächsten. Willma flüsterte: »Die sollen dir doch endlich deinen Preis geben und uns dann in Ruhe essen lassen. Ich sterbe vor Hunger.« Dann setzte sie noch grinsend nach: »Und du könntest mit diesem Antonio weiterflirten.«
Marc sah sie erschrocken an, schenkte ihr ein weiteres Glas Wein ein und versprach, dass er, sollte er den Preis erhalten, seine Dankesrede so kurz wie nur möglich gestalten würde, damit sie zu ihrem Fleisch käme. Tatsächlich konnte er es nicht lassen, immer wieder einen Blick zu diesem frechen Jungen wandern zu lassen. Marc verstand die Welt nicht mehr. In keiner Kneipe, in keinem Park beim Joggen, nicht in der anonymen U-Bahn war er je auf Flirtversuche eines anderen Mannes eingestiegen. Und ausgerechnet hier, umgeben von Kameras und Scheinwerfern, verdrehte ihm ein Typ den Kopf.
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