Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers
hatten. Sie waren eine Einheit, und René war wirklich der Typ, der Verantwortung übernahm. Und er? Er hatte nicht mal die Stärke, einen Menschen, den er liebte, anständig zu behandeln. Er sank immer mehr in seinen Sitz. Nicht mal Freundschaften konnte er halten. Teilweise hatte er das Gefühl, nicht mal für sich selbst Verantwortung zu übernehmen.
Plötzlich wurde er aus seinen Gedanken gerissen.
»Auch wenn du noch für niemanden Verantwortung übernommen hast, wäre es nicht schlecht, wenn du dich anschnallen würdest. Wir landen gleich«, erklärte ihm René mit einem Lächeln im Gesicht.
Später verabschiedeten sie sich vor dem Flughafen, und jeder ging zu seinem Auto. Da rief ihn René nochmals zurück.
»Wenn du mal Zeit hast, würden wir uns freuen, wenn du zum Essen vorbeikommen würdest.«
Marc blickte ihn an und bedankte sich herzlich für die Einladung.
Das monotone Geräusch des Scheibenwischers beruhigte Marc. Er konnte es immer noch nicht fassen. Rachen. In ein paar Stunden wird er vor ihm stehen. Nur noch ein paar Stunden und er wird den Geruch seiner alten Heimat inhalieren. Nach dem Gespräch mit René, hatte er sich kurzerhand entschlossen, für ein paar wenige Stunden zu seinem Freund zu fliegen. Auch wenn der Aufwand in keinem Verhältnis stand, die Sehnsucht war für ihn unerträglich geworden. Renés Erzählungen über seine Familie zeigten ihm dies so erbarmungslos, dass er es nicht mehr aushielt. Er fühlte sich schrecklich alleine und hatte solche Sehnsucht. Sehnsucht nach Rachen. Sehnsucht nach Intimität. Sehnsucht nach …
Die Flughafenautobahn war wie immer verstopft. Diesmal war er sogar froh. Er hatte Zeit, sich auf seine Reise einzustellen. Jetzt würde er Rachen doch bald wiedersehen. Seit ein paar Wochen stand er mit ihm wieder in Kontakt. Als er Marc vorgeschlagen hatte, für ein paar Tage nach Europa zu kommen, war das Marc gar nicht recht gewesen. Er wollte seine alte Heimat nicht mit dieser Welt vermischen. Er hatte Angst, dass er damit seine heile Welt auf Samui zerstören könnte. So hatte er Rachen seinen Wunsch abgeschlagen. Und jetzt war er auf dem Weg zu Rachen.
Das Blinken der Anzeigetafel signalisierte ihm, dass es Zeit war. Marc stieg ins Flugzeug und setzte sich ans Fenster. Der Stuart, der ihm einen Drink anbot, musste ihn erst aus seinen Gedanken reißen. Marc wollte nichts. Er wollte seine Ruhe. Seine Vorfreude genießen. In ein paar Stunden würde er vor seinem liebsten Menschen stehen, und das war ihm genug.
Wie aus dem Nichts tauchte er auf und stand lächelnd vor ihm. »Rachen!«, mehr brachte Marc nicht hervor. Er reichte ihm die Hand, doch Rachen genügte das nicht. Er zog Marc an sich und drückte ihn so fest er konnte. So standen die beiden ungleichen Männer mitten im Gewühl der Ankunftshalle des Bangkoker Flughafens.
Stumm gingen sie zum Taxi und fuhren los. Marc brauchte etwas Zeit, um auch gedanklich hier in Thailand anzukommen. Die feuchte schwere Hitze, die Menschen und Rachen. Die Eindrücke überwältigten ihn. Still saßen sie hinten im Taxi, mit einer Selbstverständlichkeit, als würden sie das jede Woche so handhaben.
»Nun bist du tatsächlich bei mir«, Rachen durchbrach ihr Schweigen.
Marc drehte seinen Kopf zu seinem Freund und lächelte ihn glücklich an. »Ja, und ich bin so froh, dass ich mich entschlossen habe zu kommen.«
Häuserzeilen zogen an ihnen vorbei. Fremd und anonym, und doch vermittelten sie Marc das Gefühl, nach Hause zu kommen.
»Sie haben für zwei Nächte gebucht?«, fragte die Rezeptionistin mit jener Höflichkeit, die Marc in Deutschland so vermisste. Rachen schaute sich einstweilen um. Diese Art von Luxus war ihm fremd. Marc nahm ihn an der Hand und führte ihn zum Lift. Glänzendes Messing, wohin man auch sah. Während sie auf den Lift warteten, beobachtete Rachen ihr Spiegelbild. Noch immer konnte er es kaum fassen, dass Marc ihn besuchte. Sechsundneunzigstes Stockwerk. Der helle Signalton des Liftes brachte sie in die Wirklichkeit. Der Hausboy schloss die Suite auf und verbeugte sich. Marc steckte ihm ein paar Geldscheine zu und verriegelte hinter ihm die Tür. Nun waren sie alleine. Immer noch stumm. Rachen inspizierte alles mit seinen Blicken. Er öffnete die Terrassentüre und war vom Ausblick überwältigt. Er starrte in die unwirklich erscheinenden Häuserschluchten. Da spürte er Marcs Hände. Er umarmte ihn von hinten und küsste ihn auf den Nacken. Lange standen sie so da, und jeder hing
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