Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers
abgehoben. Ich denke, ich bin nur erwachsen geworden. Ich habe meine eigene Meinung. Ich habe Ideale und Ziele, die ich leben möchte. Du kannst mir nicht vorwerfen, dass ich meine Disziplin verloren hätte. Es gibt kaum jemanden in deinem Team, der zielstrebiger und ehrgeiziger ist als ich. Ich habe nur etwas dazugewonnen. Mein Leben. Und ich lass mir mein Leben nicht mehr vorleben. Das kann niemand von mir verlangen. Du kannst mich zusammenschreien, wenn ich nicht mehr professionell arbeite oder nachlässig in Bezug auf das Team werde. Du kannst mir aber nicht vorhalten, dass ich eine eigene Meinung vertrete. Und ich halte nichts von Menschen, die mit solch menschenverachtenden Parolen um sich werfen, das ist alles. Und davon kann mich niemand auf dieser gottverdammten Welt abbringen.«
Jan saß einfach nur stumm in seinem Sessel. Er blickte nachdenklich auf den Star seines Teams.
Marc veränderte sich merklich. Langsam, aber er veränderte sich.
Er fuhr mit einem riesigen Blumenstrauß ins Krankenhaus. Willma kam gerade von der Visite, als sie ihn in der Aufnahme stehen sah. Er hatte sie noch nicht bemerkt. Wie würde das wohl mit Marc weitergehen, dachte sie für sich. Sie machte sich wahnsinnige Sorgen.
»Hey, Willma«, er kam auf sie zu und streckte ihr die Blumen entgegen.
Sie nahm ihn in die Arme und küsste ihn auf die Wange. »Wie geht’s dir denn heute, mein Kleiner?«
»Danke, schon viel besser«, antwortete er. »Ich fand es großartig, wie du dich um mich gekümmert hast. Und dafür möchte ich dir danken! Hätten du und Simon vielleicht heute Abend Zeit? Ich würde euch gerne zum Essen einladen.«
Willma musste wie immer zuerst das Essen aussuchen. Ansonsten war sie vor Hunger unentspannt und man konnte kein anständiges Gespräch mit ihr führen. Sie bestellte einen großen Burger mit extra Käse und Pommes. Marc hielt sich wie immer diszipliniert an sein Ernährungsprogramm und orderte Spaghetti mit Gemüsesoße.
Die Kellnerin lächelte ihn an, als ob sie beide ein Geheimnis miteinander teilten. Aber er sah diese Frau zum ersten Mal.
»Wie läuft’s denn so im Club?«, erkundigte sich Willma, nachdem sie sicher war, ihr Essen zu bekommen.
»Immer anstrengender«, meinte Marc.
»Aber du hast den größten Erfolg deiner Karriere. Die Zeitungen sind voller Lobeshymnen über dich«, widersprach Simon.
»Ja, wenn es nur das Spielen wäre. Es fällt mir momentan einfach schwer, mich in den Fußballkreisen zu bewegen«, formulierte Marc vorsichtig.
»Hast du Liebeskummer?«, fragte Simon ahnungslos. Marc vermied den Blickkontakt mit ihm und schüttelte nur den Kopf.
Aber Simon ließ nicht locker. »Du musst aber ein großes Geheimnis aus deinem Liebesleben machen. Die Zeitschriften schreiben von dir immer als dem einsamen, schönen Fußballgenie. Manchmal, wenn ich Willma so über dich reden höre, bin ich richtig eifersüchtig.«
Marc lächelte jetzt. »Du musst nicht eifersüchtig sein. Willma und ich sind Freunde, aber nicht mehr. Ein wenig mehr Vertrauen könntest du deiner Freundin schon entgegenbringen«, setzte er noch nach.
»Aber wie sieht es denn jetzt bei dir aus?«, bohrte Simon weiter.
Marc dachte nach. Dann blickte er zu Willma. »Du liebst ihn wirklich?«, fragte er sie ernst. Willma wusste genau, was er vorhatte.
»Ja«, antwortete sie, »aber das tut jetzt überhaupt nichts zur Sache. Es ist allein deine Entscheidung.«
Simon beobachtete die beiden und kannte sich noch weniger aus. »Simon, ich bin schwul.« Marcs Herz pochte, aber eher vor Stolz als vor Angst.
»Wie meinst du das?«, Simon verstand noch nicht.
»Ich liebe Männer. Verstehst du jetzt?«
»Ja«, erwiderte Simon. Aber ob er es wirklich verstand, wusste niemand so genau. Nach einiger Zeit platzte es aus ihm heraus: »Du bist schwul?«
»Na endlich. Bei so viel Begriffsstutzigkeit muss ich mir echt überlegen, ob ich in deine Praxis komme«, spottete Marc und versuchte, damit die Spannung aus der Situation zu nehmen.
»Simon«, begann Willma, »du musst mir versprechen, das niemals irgendwem zu sagen. Versprichst du mir das?«
»Ja«, versicherte der.
»Wenn das rauskommt, dann wäre das das Ende von Marcs Karriere. Du bist einer der Wenigen, der das außer uns weiß.«
»Es ist wichtig, Simon.«
Simon sah zu Marc und sagte nur: »Danke für dein Vertrauen. Ich weiß das wirklich zu schätzen, und ich werde es für mich behalten.«
Marc fühlte sich gut. »Jetzt brauchst du auch auf unsere
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