Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers
sie von dieser Atmosphäre beeindruckt wäre. Marc sah lange zu dem gütigen Mann aus Gold, der so beruhigend von seinem Altar runterlachte. Leise begann Marc, mit ihm zu sprechen.
»… wenn es dich wirklich gibt, habe ich nur eine Bitte. Schau diesen kleinen unschuldigen Menschen an. Ihr Name ist Li. Ich bitte dich, mein Buddha, steh ihr bei. Nur ihr! Ich werde alleine zurechtkommen, aber dieses kleine Mädchen ist so hilflos!«
Marc verbeugte sich, so wie er es schon oft gesehen hatte. Er war kein Buddhist, aber es war ihm ein Bedürfnis, dies für die kleine Li zu tun. Eine Weile blieben sie noch so sitzen, dann machte sich Marc langsam wieder auf. Nur widerwillig verließ er die Sicherheit des Tempels. Aber er musste nach Hause.
Als er das kleine Zimmer betrat, merkte er, dass Tia verärgert war, weil sie sich Sorgen darüber gemacht hatte, wo denn die beiden waren. Schnell erzählte Marc, dass er mit Li in einem Tempel war und dass er für sie gebetet hatte. Tia beobachtete ihn während seiner Erzählung. Am Ende schüttelte sie den Kopf und lachte.
Marc saß auf ein paar Steinen neben dem Fluss. Es war spät. Heute hatte Tia frei, aber Marc wollte mal für sich sein. Es ging ihm gut. Er hatte Geld in seiner Tasche. Für ein paar Wochen hatten Li, Tia und er zu essen, und Tia musste mit ihren Kunden nicht mehr machen, als sie wirklich nur zu massieren.
Als er bei seiner Rückkehr das kleine Zimmer betrat, bemerkte er, wie vertraut ihm dieses schützende Nest geworden war. Leise zog er den Vorhang zu und wusch sich.
Er kroch ins Bett, in dem Tia und Li schon schliefen und breitete schützend die Hände über beide aus. Dann schlief Marc ein.
Marc stand auf und wanderte durch seine neue Heimat. Er fühlte sich leer. Es ging ihm nicht mehr darum, etwas zu erreichen, es ging ihm nicht mehr darum, sein Glück zu finden. Es gab für ihn keine Vergangenheit und keine Zukunft. Er blickte aus seinen Gedanken in das reale Treiben dieser Stadt und fand sich vor dem schäbigen Hochhaus, auf dem er zuvor schon mal gewesen war. Schnell stieg er die Treppen nach oben. Die Weite, die namenlose Landschaft, das intensive Leben da unten, all das beruhigten ihn.
Wieder starrte er stundenlang in die Ferne. Es entstand ein Dialog zwischen den realen Bildern dieser Stadt und seinem Inneren. Aber auf einen Dialog mit sich selbst ließ er sich nicht ein.
Die Wochen vergingen in einer wunderbaren Monotonie. Er wachte über Li, wenn Tia nicht da war. Wenn Li munter war, spazierte er mit ihr durch die Straßen und zeigte ihr die Welt. Er brauchte jetzt dieses Leben, es tat ihm gut. Marc erholte sich wie nach einer langen, schweren Krankheit, die er früher Leben nannte. Doch noch spürte er, dass dieses Wohlfühlen auf wackeligen Beinen stand. Dass er sich selbst noch schützen musste. Dass er sich nicht zu viel zumuten dürfte.
Marc wälzte sich in einem unruhigen Halbschlaf hin und her. Er hatte von Rachan geträumt. Wo war der Mann, der ihn in seinen Gedanken doch immer begleitete? Mit einem Mal fühlte er sich nicht mehr von ihm beschützt. Es überkam ihn urplötzlich eine Angst, von ihm für immer verlassen worden zu sein.
Li quengelte in ihrem Bettchen. Marc öffnete die Augen. Sein Kopf fühlte sich an, als würde er platzen. Vorsichtig richtete er sich auf und blickte zu ihr. Sie wollte in die Arme genommen werden. Er suchte eine Wasserflasche, er hatte fürchterlichen Durst. Er trank die halbe Flasche leer, den Rest schüttete er über sein Gesicht. Das Zimmer kam ihm noch stickiger und heißer vor als sonst. Er nahm die Kleine aus der Wiege, wickelte sie in ein Tuch, band sie an seinen Körper und verließ den Raum. Sein Aufbruch war so überstürzt, dass er fast den Zettel an der Tür übersehen hätte. Es war eine Nachricht von Tia:
Ich werde erst morgen wiederkommen können. In der Tasche ist Milchpulver und ein Fläschchen. Bitte kümmere dich um mein Baby. Tia
Er wanderte mit Li durch die Nacht, vorbei an Märkten, vorbei an stinkenden Garküchen und dubiosen Gestalten.
Irgendwo auf einem kleinen Markt kaufte er einer alten Chinesin Babyklamotten und ein paar Windeln ab. Dann lief er mit Li durch Gegenden, die er nicht kannte. Vorbei an Geschäften, die für Einheimische viel zu teuer waren, vorbei an Shoppingmalls, hinein in eine ganz andere Welt. In eine Welt voller Touristen und voller Geld. Vor einem Hotel blieb er stehen. Er guckte in die Empfangshalle und überlegte. Dann ging er hinein. Es waren kaum
Weitere Kostenlose Bücher