Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Modigliani Skandal

Der Modigliani Skandal

Titel: Der Modigliani Skandal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
scharfen Verstand. »Wie kommen Sie darauf?« fragte Lipsey. »Hat sie irgend etwas Unrechtes getan?«
    »Weiß ich nicht. Und wenn ich's wüßte, würd' ich's bestimmt nicht der Polizei flüstern. Falls sie aber nichts verbrochen hat, braucht sich auch niemand auf ihre Fährte zu setzen.«
    »Ich bin Privatdetektiv«, erwiderte Lipsey. »Die Mutter des Mädchens ist gestorben, und das Mädchen ist verschwunden. Ich bin von der Familie engagiert worden, um sie zu finden und ihr die Nachricht zu überbringen.«
    Die schwarzen Augen zwinkerten. »Könnte ja sein, daß Sie mir die Wahrheit erzählen«, sagte der Alte.
    Lipsey machte sich in seinem inneren Merkbuch eine Notiz. Implizit hatte der Mann zugegeben, daß er mit dem Mädchen nicht in ständiger Verbindung stand: Sonst hätte er ja wissen müssen, daß sie nicht verschwunden war.
    Es sei denn, sie ist tatsächlich verschwunden, fuhr es ihm mit einem Schock durch den Kopf. Himmelherrgott, die lange Lauferei hatte ihn ermüdet - er konnte nicht klar denken. »Wann haben Sie sie gesehen?«
    »Das will und werde ich Ihnen nicht sagen.«
    »Es ist äußerst wichtig.«
    »Das hab ich mir schon gedacht.«
    Lipsey seufzte. Er würde eine rauhere Gangart anschlagen müssen. Es war ihm nicht entgangen, daß es im Zimmer nach Cannabis roch. »Also gut, Alter. Falls Sie mir nichts sagen, werde ich die Polizei darüber informieren müssen, daß in diesem Raum Drogen konsumiert werden.«
    Der Alte brach in ein fröhliches Gelächter aus. »Glauben Sie etwa, das wissen die nicht längst?« fragte er. Sein Lachen, wie das Knistern von Papier, klang ab, er begann zu husten. Als er wieder sprach, zwinkerten seine Augen nicht mehr. »Wer sich von einem Bullen durch faule Tricks die Würmer aus der Nase ziehen läßt«, sagte er, »ist ein Idiot. Wer sich von einem Bullen eine Information abpressen läßt, ist ein Lump. Scheren Sie sich raus, Herr Privatdetektiv.«
    Lipsey sah, daß er verloren hatte. Er fühlte sich enttäuscht und ein wenig beschämt. Als er hinausging und die Tür hinter sich schloß, hörte er wieder das trockene Husten des Alten.
    Immerhin ist diese elende Herumtrotterei fürs erste zu Ende, dachte Lipsey. Er saß in einem kleinen Restaurant und genoß, nach einem exzellenten Lunch, die zweite kleine Zigarre des Tages. Das Steak und das Glas Rotwein, das er dazu getrunken hatte, ließen die Welt einen Hauch weniger deprimierend erscheinen. Der Vormittag, er gestand es sich ein, hatte ihn doch ganz schön mitgenommen, und er fragte sich, ob er für den Außendienst inzwischen nicht zu alt war.
    Eigentlich hätte er solche Rückschläge seit langem schon stoisch hinnehmen sollen, überlegte er. Schließlich erhielt man immer seine Chance, wenn man nur lange genug wartete. Im Augenblick war er allerdings in einer Sackgasse gelandet. Von zwei erhofften Möglichkeiten blieb ihm nur noch eine -zwangsläufig.
    Nicht die Spur des Bildes mußte er aufnehmen, sondern die des Mädchens.
    Er tat seine Zigarre in den Aschenbecher, beglich seine Rechnung und verließ das Restaurant.
    An der Bordschwelle hielt ein Taxi, und ein junger Mann stieg aus. Während der Mann den Fahrer bezahlte, nahm Lipsey bereits im Taxi Platz. Wieder betrachtete er das junge Gesicht und war sich plötzlich ganz sicher, es schon irgendwo gesehen zu haben.
    Er nannte dem Taxifahrer die Adresse, wo Dee Sleign seit Juni wohnen sollte. Während das Taxi sich in Bewegung setzte, grübelte er über das ihm so vertraut erscheinende Gesicht des jungen Mannes nach. Gesichter mit den dazugehörigen Namen zu assoziieren, war für Lipsey eine Art Obsession. Gelang es ihm nicht, so überkam ihn fast so etwas wie das Gefühl professionellen Versagens.
    Sekundenlang dachte er voller Konzentration nach, dann tauchte aus seiner Erinnerung ein Name empor: Peter Usher. Das war ein erfolgreicher junger Künstler, und zwischen ihm und Charles Lampeth bestand irgendeine Verbindung. Ach, richtig, Lampeths Galerie zeigte seine Bilder. Nun ja, nicht weiter von Belang. Lipsey lächelte zufrieden, der Fall war für ihn erledigt.
    Das Taxi setzte ihn vor einem kleinen Wohnblock ab: etwa zehn Jahre alt, nicht gerade imposant. Lipsey ging hinein und beugte seinen Kopf zum Fenster der Concierge.
    »Ist in Nummer neun jemand zu Hause?« fragte er mit einem Lächeln.
    »Die sind fort«, erwiderte die Frau mürrisch.
    »Na, gut«, sagte Lipsey. »Ich bin ein Innenarchitekt aus England, und sie baten mich, mir die Wohnung mit den

Weitere Kostenlose Bücher