Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Modigliani Skandal

Der Modigliani Skandal

Titel: Der Modigliani Skandal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
Augen des Fachmanns anzusehen. Sie sagten mir auch, für den Fall, daß sie nicht anwesend seien, sollte ich Sie um den Schlüssel bitten. Allerdings nahm ich an, sie seien noch da.«
    »Ich kann Ihnen den Schlüssel nicht geben. Außerdem dürfen die ohne spezielle Erlaubnis in der Wohnung keinerlei Veränderungen vornehmen.«
    »Natürlich!« Lipsey setzte wieder sein Lächeln auf und ließ den Charme des seriösen Herrn mittleren Alters spielen. »Miß Sleign hat mir mit allem Nachdruck eingeschärft, mich an Sie zu wenden und Sie um Ihren Rat und Ihre Meinung zu bitten.« Während er sprach, zog er unauffällig einige Geldscheine aus seiner Börse und tat sie in ein Kuvert. »Sie bat mich, Ihnen dies für Ihre Mühe zu geben.« Er reichte das Kuvert durchs Fenster, wobei er es so zusammenbog, daß die Geldscheine knisterten.
    Sie nahm das Schmiergeld. »Sehr lange können Sie sich aber nicht in der Wohnung aufhalten, weil ich die ganze Zeit über bei Ihnen bleiben muß«, sagte sie.
    »Natürlich«, lächelte er.
    Sie kam aus ihrer Loge hervor und führte ihn die Treppe empor, schnaufend und keuchend, zwischendurch pausierend, die Hände in den schmerzenden Rücken gestützt.
    Die Wohnung war nicht sehr groß, und das Mobiliar schien zum Teil vom Trödler zu stammen. Lipsey sah sich im Wohnzimmer um. »Sie sprachen von Emulsionsfarbe für die Wände«, sagte er.
    Die Concierge schüttelte sich.
    »Ja, ich glaube, Sie haben recht«, sagte Lipsey. »Aber vielleicht eine hübsch geblümte Tapete und einen einfachen dunkelgrünen Teppich.« Er blieb vor einem abscheulichen Sideboard stehen, klopfte mit den Knöcheln dagegen. »Gute Qualität«, sagte er. »Nicht so wie dieser moderne Plunder.« Er zückte sein Notizbuch und kritzelte ein paar sinnlose Zeilen hinein.
    »Die haben mir gar nicht erzählt, wo sie hinwollten«, sagte er gesprächsweise. »In den Süden vermutlich.«
    »Nach Italien.« Das Gesicht der Frau glich nach wie vor einer strengen Maske, doch genoß sie es offensichtlich, mit ihrem Wissen zu protzen.
    »Ah. Rom, vermute ich.«
    Die Frau reagierte nicht auf den Köder, und Lipsey nahm an, daß sie es nicht wußte. Er sah sich in den übrigen Räumen um und nahm jede Einzelheit in sich auf, während er mit der Concierge belanglose Floskeln wechselte.
    Im Schlafzimmer stand, auf einem niedrigen Nachttisch, ein Telefon. Daneben lag ein Notizblock, auf dem obersten - leeren - Blatt des Notizblocks ein Kugelschreiber. Lipsey sah sich den Block genau an. In das obere leere Blatt waren, deutlich sichtbar, Vertiefungen eingegraben: Druckspuren jener Worte, die auf das Blatt darüber geschrieben worden waren und das irgend jemand abgerissen hatte. Lipsey manövrierte seinen Körper geschickt zwischen den Tisch und die Concierge und ließ den Schreibblock blitzschnell verschwinden.
    Nach ein paar Floskeln sagte er zur Concierge: »Madame, Sie waren äußerst liebenswürdig. Ich möchte Sie nicht länger von Ihrer Arbeit abhalten.«
    Sie gingen nach unten, wo sie ihn bis zum Ausgang führte. In aller Hast suchte und fand er ein Papiergeschäft, wo er einen weichen Bleistift kaufte. Dann setzte er sich in ein Straßencafe, bestellte Kaffee und holte den gestohlenen Schreibblock hervor.
    Sacht strichelte er mit dem Bleistift über die Druckstellen im Papier. Als er fertig war, ließen sich die Worte mühelos lesen. Es handelte sich um die Adresse eines Hotels in Livorno, Italien.
    Am Abend des folgenden Tages traf Lipsey in diesem Hotel ein. Es war klein, hatte etwa ein Dutzend Zimmer. Vermutlich war es einmal das Domizil einer großen Mittelklasse-Familie gewesen; jetzt, da die Gegend deutlich Verfallstendenzen zeigte, war es in ein Gasthaus umgemodelt worden - für Leute, die hauptsächlich geschäftlich unterwegs waren.
    Lipsey wartete im Wohnzimmer des Familienquartiers, während die Frau ihren Mann aus dem oberen Teil des Hauses holte. Lipsey war reisemüde: von leichten Kopfschmerzen geplagt, sehnte er sich nach einem Abendessen und einem weichen Bett. Am liebsten hätte er sich eine Zigarre angezündet, worauf er jedoch aus Gründen der Höflichkeit verzichtete. Ab und zu warf er einen Blick auf den Fernseher. Man zeigte einen uralten englischen Film, den er an einem Abend in Chippenham gesehen hatte. Der Ton war allerdings abgeschaltet.
    Die Frau kehrte mit dem Besitzer zurück, in dessen Mundwinkel eine Zigarette baumelte. Aus einer seiner Taschen ragte der Stiel eines Hammers hervor, und in der Hand

Weitere Kostenlose Bücher