Der Mönch und die Jüdin
Situationen gemeistert hatte. Da würde ihr dann schon etwas Passendes einfallen. Und wenn sie erst einmal zu etwas Geld gekommen waren, konnten sie sich bewaffnete Diener leisten. Und mit diesen bewaffneten Dienern würden sie dann zurückkehren, um Ruth und Rebekka zu befreien …
»Man könnte fast meinen, du willst gar nicht wirklich mit mir fliehen. Ständig zählst du Gründe auf, die dagegen sprechen.«
Konrad schüttelte den Kopf. »Nein, das ist nicht wahr. Ich möchte nur, dass wir vernünftig planen und nicht einfach blindlings ins Unglück rennen.«
»Gib es zu, du hast ja nur Angst!«
Jetzt sah er verletzt aus. »Ja, das ist wahr. Ich habe Angst. Ich bin kein großer, starker Ritter, der sich tollkühn ins Abenteuer stürzt. Bis vor wenigen Wochen habe ich friedlich in einem kleinen Kloster gelebt. Gib mir bitte zwei, drei Tage Zeit, alles vorzubereiten.« Er beugte sich vor und sagte leise: »Brigids Großtante wohnt draußen im Wald. Dort können wir uns vielleicht für ein paar Tage verstecken und überlegen, wie es weitergehen soll. Aber ich muss Brigid erst fragen, ob das geht. Und Brigid kann dir reiten beibringen. Ich werde versuchen, ein zweites Pferd aufzutreiben. Brigid kann mir auch zeigen, wie ich uns im Fall der Fälle verteidigen kann. Doch dazu brauche ich ein paar Tage. Vertrau mir bitte.«
Ständig redete er von dieser Brigid! Natürlich wusste sie, dass Konrad wirklich mit ihr fliehen wollte und dabei war, einen Plan zu schmieden. Das alles bewies, dass er sie wirklich liebte. Aber sie war trotzdem voller Wut und Unruhe, denn die letzten Tage hatten ihre Nervenkraft aufgezehrt.
Sie hasste die Vorstellung, noch einige Tage Nathans und Benjamins Schikanen aushalten zu müssen. Sie war einfach nicht in der Verfassung, ruhig und vernünftig zu planen. »Wenn du mich wirklich liebst, dann beweise es mir, indem du gleich heute mit mir fliehst! Sonst … sonst geh doch in dein blödes Kloster zurück!« Jetzt war sie endgültig mit den Nerven am Ende. Zitternd stürzte sie zur Treppe. Sie konnte kaum etwas sehen, weil ihr Tränen übers Gesicht flossen.
»Hannah!«, rief Konrad hinter ihr. »Bitte komm zurück! Wir finden einen Weg, bestimmt! Gib mir etwas Zeit, nur zwei Tage!«
Sie wollte zu ihm zurückkehren, ihm sagen, dass sie es nicht so gemeint hatte, dass es ihr leid tat, aber sie konnte einfach nicht mehr. Gehetzt rannte sie die Treppe hinunter. All das Schreckliche, was in den letzten Tagen geschehen war – der Abschied von Joseph, die Aufregung der Flucht, die Auseinandersetzungen mit Nathan … Sie zitterte am ganzen Körper, wollte sich nur noch auf ihr Strohlager werfen und ausruhen, ihre Nerven beruhigen, neue Kraft schöpfen. Konrad hat ja recht, dachte sie, es ist viel vernünftiger, wenn ich ihm ein paar Tage Zeit gebe, die nötigen Vorbereitungen zu treffen. Ich bin ja nervlich und körperlich überhaupt nicht in der Verfassung, um heute noch wegzulaufen.
Ohne darauf zu achten, ob sie jemand sah, ging sie über den Burghof und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht. Onkel Nathan stand oben auf der Treppe, die zu den Unterkünften führte.
»Wo bist du gewesen?«, fragte er.
»Das geht Euch gar nichts an!«
»Oho! Glaubst du, du kannst mich für dumm verkaufen? Du warst bei diesem Konrad.«
»Und wenn schon.«
Nathan stieg langsam die Stufen herunter und blieb dicht vor ihr stehen. Sie erwartete, dass er sie anschreien, sie wahrscheinlich sogar ohrfeigen würde, und spannte sich in Erwartung der Schläge innerlich an. Doch er sagte merkwürdig ruhig: »Sieh mal, Hannah, ich bin jetzt für deine Zukunft verantwortlich, und ich nehme diese Verantwortung wirklich ernst. Es gibt da ein paar Dinge, die du offensichtlich noch nicht verstanden hast. Ich habe jetzt etwas zu erledigen, aber nachher komme ich zu dir, und dann werden wir uns einmal ganz in Ruhe unterhalten. Schließlich habe ich als dein Onkel die Verpflichtung, mich um dich zu kümmern.«
Als er davonging, dachte sie: Wäre ich doch bei Konrad auf dem Turm geblieben! Es war ein Fehler gewesen, wieder hierher zurückzukommen. Aber jetzt hatte sie keine Kraft mehr. Ihre Beine zitterten. Mit letzter Kraft schleppte sie sich die Treppe hoch und ließ sich erschöpft auf ihr Strohlager fallen.
***
Konrad hätte Hannah so gerne getröstet. Ihr weh zu tun war das Letzte, was er wollte. Er konnte sie ja verstehen. Aber gerade weil er sie liebte, musste er unbedingt einen kühlen Kopf
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