Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mörder mit der Spritze

Der Mörder mit der Spritze

Titel: Der Mörder mit der Spritze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
Vom Netzwerk:
und verschlossen, das Innere des Hauses war in ein
trübes, schmutziges Dämmerlicht getaucht.
    Die Diele war leer. Es gab
keine Möbel, und die hölzernen Wände sahen aus, als hätten sie Schuppen, denn
der größte Teil der weißen Farbe war abgeblättert und lag auf dem Boden.
    Irgendwo, weit entfernt,
schluchzte jemand.
    Ich schaute Harry an, der
bereits zu mir hinsah, und zusammen gingen wir durch einen langen, dunklen
Korridor, an dunklen stillen Räumen vorbei.
    Das Schluchzen wurde lauter.
    Wir erreichten eine
geschlossene Tür. Ich griff nach der Klinke. Sie war nicht verschlossen, so
drückte ich sie langsam auf. Ich hatte das Gefühl, einen Sargdeckel zu öffnen —
mit einer schluchzenden Leiche darin.
    Das Schluchzen wurde noch
lauter. Im Zimmer war ein Mädchen, das nicht richtig weinte, es gab klagende
Töne von sich, kehlig und rauh .
    Der Raum war dunkler als der
Rest des Hauses, so daß wir uns im Eingang ziemlich gut abhoben. Wenn jemand
mit einer Knarre drin war, dann war er hoffentlich ein schlechter Schütze oder
hatte Respekt vor Anwälten. Ich trug den .38er in der Hand, hinter meinem
Oberschenkel versteckt.
    Ich ließ die Tür hinter uns
offen; Harry und ich entfernten uns von der Tür. Es war dunkel, aber wir
konnten langsam Umrisse erkennen, als unsere Augen sich an die Finsternis
gewöhnt hatte . Die Luft war muffig und roch nach
faulendem Holz.
    Das Schluchzen kam von der
anderen Seite des Raumes, wo ein dunkelhaariges Mädchen in einem kurzen
hellgrünen Mantel und gemusterten Strümpfen sich auf den Boden kauerte. Sie
beugte sich vor, schaukelte auf den Knien, hatte die Hände vors Gesicht
geschlagen. Es war Ronda Holloway.
    Ich sah mich sorgfältig um.
Sonst war niemand im Zimmer.
    »Genau der Platz für ’n
Hexentreffen«, hauchte Harry neben mir und wies auf die Wände, die vom Boden
bis zur Decke mit schwarzem Stoff verhängt waren, so daß nicht einmal ein Streifchen Licht hereinkam.
    »Wer ist da ?« kreischte Ronda und fuhr herum. Sie starrte uns mit entsetzten Augen an, bis
sie mich erkannte.
    »Randy !« rief sie und brach in Tränen aus.
    Ich ging zu ihr, kniete nieder
und legte ihr den Arm um die Schultern. Sie zitterte am ganzen Leib.
    »He, Baby«, sagte Harry
gedämpft und kam zu uns, »wo ist denn die große Horrorszene? Ich habe noch
keine Draculas gesehen .«
    Sie sah mit tränenüberströmten Gesicht zu ihm auf, und einen Augenblick fürchtete ich, daß Harrys Anblick sie
vollends zur Hysterie treiben würde. Aber sonderbar genug, der neugierige
Neandertaler mit der rauhen Stimme und den großen
lustigen Augen schien ihr Vertrauen einzuflößen. Sie hörte auf zu schluchzen
und bekam ihre Stimme wieder unter Kontrolle.
    »Da ist — da ist was hinter dem
Vorhang .«
    Ich drehte mich um und schaute
mir den Vorhang an, auf den sie gezeigt hatte. Er hatte keine Beulen.
    »Wo?«
    »Nicht aufmachen«, sagte sie
ängstlich. »Ihr müßt die Polizei holen .«
    Ich zerrte an dem Vorhang. Er
riß von der Schiene ab, und ich zog weiter, bis ich sehen konnte, warum Ronda
weinte.
    J. C. Christopher hing an der
Wand, Arme ausgebreitet, mit zwei großen Nägeln durch die Handflächen. Auch in
den Beinen hatte er zwei große Nägel, einen durch jeden Fußknöchel, aber er
hatte keine Wunde in der Seite. Statt dessen hatte man
ihm den Schädel eingeschlagen.
    Ronda wandte sich ab, fing aber
nicht wieder an zu weinen.
    »Was ist passiert ?« fragte ich und kniete wieder neben ihr nieder.
    »Ich... Ich...« Die Stimme
versagte ihr, und sie war wieder kurz vorm Zusammenbrechen. »Ich bin
hierhergekommen, weil ich Charles suchte. Mutter hat gesagt, ich könnte ihn
hier finden. Aber das Haus war leer. Ich habe gerufen — aber dann hörte ich
etwas stöhnen. Ich dachte, es sei ein verletztes Tier, ging nach draußen und
suchte ums Haus herum, aber dann kam ich wieder hinein und hörte es wieder und
fand — ihn .« Beinahe hätte sie sich umgedreht, aber
sie hielt sich zurück.
    Ich sah den erstarrten Ausdruck
in J. C.s hübschem, bärtigem Gesicht. Es war ein Anflug von Schmerz in den
offenen Augen, aber seine Mundwinkel zeigten nach oben, als würde er lächeln.
Kein Anzeichen von Überraschung oder Zorn. Trotzdem, es war das Gesicht eines
Toten.
    »Jetzt stöhnt er nicht mehr«,
sagte ich leise.
    Harry stand neben uns, starrte
J. C. gequält an. »Sie haben ihn gekreuzigt«, stöhnte er. »Und er wollte sie
doch nur erlösen .«
    »Er war nicht der erste, der so
etwas versucht hat.

Weitere Kostenlose Bücher