Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
Vom Netzwerk:
Bediensteten suchte. Als er die Blauenten-Allee erreichte, standen bereits mehr als dreißig Männer vor dem großen schiefen Haus. Sie stritten sich und rangelten miteinander. Frayling stand ganz hinten in der Gruppe, auf seine Krücke gestützt, und verfluchte sich, weil er kostbare Schlafenszeit für dieses hoffnungslose Unterfangen geopfert hatte. Dann trat ein alter Mann aus dem Haus und betrachtete sie alle. Frayling hatte den Eindruck, dass es ein harter alter Knabe war mit grauem Haar und hellgrünen Augen.
    » Ich will einen ehrlichen Mann«, verkündete der Alte und sah an ihm vorbei. » Einen Veteranen, der mir genauso dienen wird, wie er einst der Cité gedient hat. Dafür zahle ich ordentlich, und es gibt freie Kost und Logis.«
    Wie sich herausstellte, hatte jeder der Wartenden in der Armee gedient, selbst Frayling, der ein Breitschwert nicht von einem Brandeisen unterscheiden konnte. Der alte Mann war zwischen den Leuten herumgegangen, hatte Fragen gestellt. Seine Stimme klang scharf, und seine hellen Augen zuckten über die Gesichter, auf der Suche nach Unehrlichkeit. Zum Schluss kam er zu Frayling.
    » Dein Name?«
    » Frayling, Herr.«
    » Welches Regiment?« Frayling errötete und blickte auf seine Fußspitzen. » Die Zweiundvierzigste, Herr.«
    Der alte Mann runzelte die Stirn. » Die Zweiundvierzigste was?«
    Frayling versuchte verzweifelt, sich an irgendetwas zu erinnern, was militärisch klang, aber sein Verstand war wie leergewischt, und er starrte hoffnungslos zu Boden.
    » Bist du ehrlich, Frayling?«
    » Ja, Herr«, erwiderte er staunend, weil er doch gerade bei einer Lüge ertappt worden war.
    » Wie hast du dir dein Bein verletzt?«, erkundigte sich der alte Mann.
    » Bei einem Unfall in meiner Kindheit«, gestand Frayling beschämt.
    » Kannst du Treppen steigen? Dieses Haus besteht hauptsächlich aus Treppen«, sagte der Mann.
    » Ja, Herr«, antwortete Frayling, während sein Herz ihm bis zum Hals schlug. » Ich kann alles genauso gut wie ein Mann mit zwei gesunden Beinen.«
    » Komm mit mir und beweise es«, sagte der alte Mann zu ihm. » Und nenne mich nicht Herr.«
    Die Sonne ging auf dem warmen, ruhigen Platz unter, als Frayling sich ungeschickt aufrappelte. Er hatte sich entschieden, noch einen Versuch zu wagen, einen letzten Versuch, um einen dankbaren und bewundernden Blick von Emly zu ernten. Er humpelte über den Platz, unterdrückte seine Furcht und klopfte nachdrücklich an die Tür. Nach einer sehr langen Zeit öffnete derselbe Diener.
    Frayling räusperte sich und wiederholte seine einstudierten Worte. » Ich möchte mit deinem Herrn sprechen.« Und aus einer Inspiration heraus, die das Schicksal aller besiegeln sollte, setzte er hinzu: » Der Schleier, den ich suche, ist unbezahlbar, und wenn er nicht zurückgegeben wird, wird mein Herr vor dem Gericht des Unsterblichen Entschädigung dafür suchen.«
    Emly zog ihre Arbeitsschuhe aus, nahm sie in eine Hand und rannte die Treppen zur Diele hinab. Sie wollte nicht, das Bartellus sie hörte, weil er schon genug Sorgen hatte. Sie öffnete leise die Tür. Obwohl sie es eilig hatte, hatten die Jahre der Entbehrung sie vorsichtig gemacht. Sie verschloss die Tür hinter sich und schob den Schlüssel in die Tasche, bevor sie durch die pechschwarze Seitengasse rannte. Sie hörte leises Klicken neben sich in der Gasse, bei ihren Füßen, und stellte sich vor, wie Ratten neben ihr liefen, sie begleiteten. Sie war schon seit etlichen Jahren nicht mehr im Dunkeln ausgegangen. Die kühle Nachtluft erfrischte sie, und sie wurde mutiger.
    Sie fand Frayling immer noch an derselben Stelle. Die Wand hielt ihn in dieser sitzenden Position, obwohl er zu schlafen schien.
    » Frayling«, flüsterte sie, und er bewegte sich. Als er sie erkannte, nahm er seine Krücke und versuchte aufzustehen. Dann sah sie das Blut auf seinem Gesicht und seinem Körper. Sie versuchte, ihm aufzuhelfen. Sie war zu klein, um ihre Schulter unter seine Achseln zu schieben, aber sie stützte ihn, indem sie ihren Arm um seine Taille schlang, als sie langsam nach Hause humpelten.
    » Was ist passiert?«, fragte sie. Eine Seite seines Gesichts war nur noch eine blutige Masse und das Auge zugeschwollen. Es war auch Blut auf seinem Wams, aber sie wusste nicht, ob es von den Verletzungen in seinem Gesicht stammte oder von anderen Wunden.
    » Die Männer des Kaufmanns«, flüsterte er und blickte zu Boden. » Sie waren zu zweit. Sie haben mich geschlagen. Ich habe nach dem

Weitere Kostenlose Bücher