Der Moloch: Roman (German Edition)
und lange genug lebte, würde er irgendwann zweifellos dem Kaiser in diesem Raum von Angesicht zu Angesicht begegnen.
Marcellus’ Miene wurde ernst. » Heute werden wir die Beerdigung von Lady Petalina begehen, die von Verrätern getötet wurde. Ihre einzige lebende Verwandte ist Lady Fiorentina, die alle Vorkehrungen für die Bestattung getroffen hat. Es wird eine private Feier werden. Wegen der Revolte der Leoparden sind die Sicherheitsmaßnahmen jedoch höher, als es bei einer Bestattung üblich ist. Ihr habt alle eure Befehle.« Er machte eine kleine Pause. » Es ist einfach, die Bedeutung solcher Ereignisse, wie sie sich im Kleinen Opernhaus zugetragen haben, zu überschätzen. Obwohl unschuldige Menschen gestorben sind, war die Rebellion ein Fehlschlag. Mallet wollte mich und meinen Bruder töten. Wir werden wahrscheinlich nie erfahren, aus welchem Grund, aber wir können davon ausgehen, dass der Plan dafür weit entfernt von der Cité geschmiedet wurde. Und er ist gescheitert. Aber er könnte einen gewissen Erfolg haben, wenn wir unsere Aufgabe aus den Augen verlieren.« Er machte wieder eine Pause, diesmal um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. » Die Eintausend existieren, um den Kaiser zu beschützen, nicht die Vinceri. Wenn wir die Sicherheitsmaßnahmen für uns erhöhen, riskieren wir unausweichlich, die Wachen um den Unsterblichen zu schwächen. Ihr müsst euch dessen bewusst sein und dafür sorgen, dass das nicht passiert.«
Ein Soldat ergriff das Wort. Seine raue Stimme klang so beiläufig, als würde er mit einem Freund plaudern. » Es würde uns die Aufgabe erleichtern, wenn du und Rafael getrennte Ziele bötet. Die Tatsache, dass ihr so oft zusammen seid, ist ein Problem für die Eintausend. Wir haben darüber schon gesprochen.« Riis drehte sich interessiert zu dem Mann mit dem buschigen Schnauzbart herum. Er schien recht entspannt in der Gesellschaft von Marcellus, wenn er so unverblümt mit ihm sprechen konnte.
» Willst du vorschlagen, dass wir nicht an der Beerdigung der Lady teilnehmen sollten?«
Der Soldat schien sich von der Schärfe in Marcellus’ Stimme nicht abschrecken zu lassen. » Ich würde es vorschlagen, wenn ich der Meinung wäre, dass es etwas nützen würde, Herr. Nein, ich sage nur, dass du etwas mehr darauf achten solltest, kein allzu leichtes Ziel zu bieten.«
» Wir sind Soldaten. Wir können auf uns selbst aufpassen«, entgegnete Rafael.
» Das bezweifelt auch niemand, Herr.« Riis fuhr herum. Der Sprecher war eine Frau. Sie saß auf einer Polsterbank hinter ihm und streifte ihn kurz mit einem Blick, als er sich zu ihr umdrehte. Sie war mittelgroß und von mittlerem Alter, hatte ungepflegtes rotblondes Haar und große Brüste unter der Lederuniform. Ist sie auch ein Kommandeur?, dachte er. Er hatte keine Ahnung, dass die Eintausend auch weibliche Kommandeure hatten.
» Aber Fortance hat Recht«, fuhr die Frau fort. » Wir schlagen nur vor, dass ihr nicht gleichzeitig an Terminen teilnehmt.«
Marcellus seufzte. » Unsere Leben sind alle terminiert, Leona«, erwiderte er. » Aber wir werden berücksichtigen, was du gesagt hast.« Er winkte mit der Hand, und die Krieger setzten sich in Bewegung und verließen den Raum. Riis sah Darius an, und sie gingen ebenfalls zur Tür.
» Riis.« Marcellus hatte seine Stimme nicht erhoben. Riis drehte sich zu ihm um. » Bleib noch einen Moment.« Riis nickte Darius zu, und dieser folgte den anderen.
Marcellus wartete, bis sich die Tür schloss. » Ich habe heute eine Aufgabe für deine Nachtfalken, die nichts mit dem Begräbnis zu tun hat.«
» Ja, Herr.«
» Kennst du Lord Leutnant Saroyan?«
Ein großes Loch schien sich in Riis’ Brust aufzutun, und er merkte, dass er den Atem angehalten hatte. War’s das?, dachte er. Endet unser Plan, den Kaiser zu töten, genau hier? Er fragte sich auch, wer ihn verraten hatte.
Marcellus sah ihn fragend an. Riis versuchte abzuwägen, was wohl die richtige Antwort sein würde. Er runzelte die Stirn.
» Ich habe sie schon einmal gesehen«, gab er unsicher zu.
» Saroyan ist auf dem Rückweg aus dem Osten. Sechs Soldaten ihrer persönlichen Leibwache sind bei ihr. Sie werden gegen Mittag am Paradies-Tor erwartet. Ich möchte, dass du eine Abteilung deiner vertrauenswürdigsten Männer nimmst und sie abfängst, bevor sie in die Sichtweite der Cité kommen. Töte sie alle.«
Riis nickte. » Ja, Herr.« Er drehte sich zur Tür herum und versuchte, nicht nachzudenken.
» Möchtest du
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