Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mond bricht durch die Wolken

Der Mond bricht durch die Wolken

Titel: Der Mond bricht durch die Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Crispin
Vom Netzwerk:
nieste.
    »Na, alter Freund, Sie haben sich wohl erkältet, wie?« sagte Ling.
    »Nein, das ist der Rauch von Ihrer Pfeife.«
    »Oh, Verzeihung.«
    Der Major war singend hereingekommen; Mrs. Clotworthy erschien redend. Sie war eine korpulente kleine Frau von fünfundsiebzig Jahren mit Nickelbrille und Dutt; sie schwankte beim Gehen hin und her und trug ein knöchellanges schwarzes Kleid im fortwährenden Gedenken an ihren verstorbenen Mann, den Fleischer. Alles in allem sah sie aus wie eine Mrs. Noah aus einer viktorianischen Arche Noah. Soviel Widger erkennen konnte, beklagte sie sich über etwas.
    »Ach du liebe Seele, wie Sie einen aber auch scheuchen!« sagte Mrs. Clotworthy. »Und dieser verflixte Freddy Smale konnte ja kaum ‘ne halbe Minute warten, bis ich in seinen Bus gestiegen bin und mein Geld in seine kleine Schale geworfen hab’, bevor er wieder lossurrte wie ‘ne Fliege mit ‘nem blauen Hintern. Dabei war ich gar nicht spät dran, ich hab’ mir nur – «
    »Mrs. Clotworthy.«
    »Ich hab’ nur das Unkraut ums Gartentor ‘n bißchen ausgerupft, weil’s jetzt leichter geht, obwohl man an die Wurzeln ja nie richtig rankommt, bevor’s Zeit wird, daß man ‘s Laub verbrennt, un’ der Herr unten wird’s noch merken, wenn er sich nich’ bald um sein’ Garten kümmert. Hätt’ mir ja gleich denken könn’, daß das kein richtiger Genn’lman is, weil – «
    »Mrs. CI-«
    »weil die vornehmen Leut’, wenn sie’s schon nich’ selber machen, wenigstens ein’ kenn’, der’s macht, bevor dir das Zeug den ganzen Garten versaut.«
    »Mrs. – «
    »Aber ‘s gibt ja alle möglichen Leut’, un’ der verdient sich sein Geld mit die Bücher, wie der andere mit dem Notenschreib’n fürs Kino, wenn einem der Beruf auch komisch vorkommt, nich’ wie beim Grammophon oder beim drahtlosen Radio, auch wenn’s heut’ nich’ mehr so heißt.«
    An diesem Punkt erreichte Mrs. Clotworthys Jeremiade entweder ihr natürliches Ende, oder ihr ging einfach der Atem aus. Jedenfalls hatten Widger und Ling endlich die Möglichkeit, sie so weit zu bringen, daß sie sich hinsetzte und ihre Aufmerksamkeit dem vorliegenden Thema widmete.
    Ja, nun, das schöne Schwein hätte sie als Schlachttier zum Geburtstag bekommen; und dann hätte sie den Herrn kennengelernt, der das Haus der Dickinsons bewohne, und er sei Magister, wie ihr Mann es immer hätte werden wollen, und als sie gehört hätte, daß er mit der Sülze aus dem Laden nicht zufrieden sei, hätte sie beschlossen, ihm den Kopf zu schenken, damit er sich selbst eine machen könne.
    So habe sie ihm gesagt, sie lege den Kopf in ihren Hauseingang, wenn sie weggehe, und er könne ihn dort abholen; und das habe sie auch vorgehabt. Wann das gewesen sei? Nun, gestern, versteht sich, erst gestern. Ja, am Samstag: Wußten sie denn nicht, wann gestern gewesen sei?
    Mrs. Clotworthys freundliche Absicht war aber, wie sich herausstellte, vereitelt worden. Gestern ganz früh hätte sie eine Nachricht erhalten, wonach eine schwangere Großnichte, die auf der anderen Seite von Burraford lebte, in den Wehen liege; und obwohl dieses Vorkommnis durchaus nichts Neues sei, verlangten die Familienbande doch, daß sie während der Geburt zugegen wenn nicht unmittelbar im Schlafzimmer, so doch im Haus sei. Sie habe dementsprechend ihr Haus abgesperrt und sei zu ihrer Großnichte geeilt. Und dort sei sie den ganzen Tag geblieben, bis Dr. Mason vom Pfarrfest gekommen sei, gerade rechtzeitig, um die Großnichte von einem stämmigen Sohn zu entbinden.
    Das war alles klar genug so klar, daß Ling den Fehler machte, Mrs. Clotworthy nicht weiter zu befragen. Demzufolge wurde Mrs. Clotworthy wieder hinuntergebracht, während Ling sich mit einem tabakfarbenen Taschentuch von der Art, wie Schnupfer es verwenden, die Stirn wischte und Widger sagte: »Es muß also unser Freund gewesen sein, der den Sack in Mrs. Clotworthys Eingang gestellt hat, vermutlich, nachdem sie gegangen war.«
    »Sieht so aus.«
    »Bis zu einem gewissen Punkt also eine Anschlußtat.«
    »Was meinen Sie? Ah, ja, ich verstehe. Hagberd kippt Rouths Kopf durch das Fenster von Mrs. Leeper-Foxes Eßzimmer, um sie zu erschrecken. Unser Freund präsentiert den Kopf seines Opfers Mrs. Clotworthy.« Ling runzelte die Stirn und zündete seine Pfeife wieder an. »Aber warum hat der Gute sich nicht wieder Mrs. Leeper-Foxe ausgesucht?«
    »Weil sie nicht hier ist. Sie sagt, sie kommt nie mehr zurück, nach allem, was geschehen ist. Sie

Weitere Kostenlose Bücher