Der Name Der Dunkelheit
Fall.«
»Schief? Er ist tot.«
»Das eigentliche Opfer soll sich erst am Ende umbringen. Aber die Sache war noch längst nicht zu Ende. Ardelius geht nicht auf die Erpressung ein und wartet auch nicht auf das nächste Opfer. Weil er klüger ist als der Mann in Mailand und wahrscheinlich glaubte, er könne damit die kleine Filipa retten, entzieht er sich dem Spiel wie ein kynischer Philosoph. Für die Erpresserin ist alles schiefgelaufen.«
»Was soll für sie schiefgelaufen sein? Sie hat den Artikel.«
»Sie hat die Morde begangen. Wir wissen es. Sie weiß, dass
wir es wissen. Sie ist enttarnt. Und das verdankt sie Sofi Johansson.«
»Und deshalb soll Sofi etwas zugestoßen sein?«
»Die Frau ist auch mit ihrem Hauptziel gescheitert. Wie ich soeben erfahren habe, hat sie nicht bekommen, was sie wollte. Ardelius hat sie mit ihren eigenen Mitteln geschlagen. Die letzte Fassung des Aufsatzes ist ein Bluff. Er hat sie angefertigt, um zum Schein auf die Erpressung einzugehen und weitere Morde zu verhindern. Was da unter seinem Kopf lag, muss die letzte Fassung gewesen sein.«
Tholander riss sich die Brille vom Kopf und putzte sie mit dem Saum seines Pullovers.
»Und Sofi marschiert bei helllichtem Tag mit dem Inhalt des Tresors über die Straße«, sagte Kjell. »Das ist typisch für sie.«
»Hast du dich nicht gefragt, warum sich Ardelius nicht an die Polizei gewandt hat?«
Kjell hatte nicht die geringste Ahnung. Vielleicht hatte er gewusst, dass auch Judit schon verschwunden war, und es für zu riskant gehalten, die Polizei einzuschalten.
»Die Frau will an die Daten«, sagte Tholander nachdenklich.
»Sofi hat keinen Zugriff auf die Daten. Gilt ihre Suspendierung noch?«
Tholander nickte. »Spielt das eine Rolle?«
»Eine wichtige. Sie kommt nicht ins Polizeigebäude. Sind die Daten dort?«
»Aber du hast deiner Frau doch die Daten gebracht.«
»Eine Kopie, von der niemand weiß. Sie wird also versuchen, ins Polizeigebäude zu kommen.«
»Dann muss sie aufgeben. Niemand kommt in dieses Gebäude, der nicht hineingehört.«
Kjell musterte Tholander. »Wieso sagst du das so?«
»Verzeihung, ich verstehe nicht.«
» Niemand kommt in dieses Gebäude, der nicht hineingehört. Wieso hast du das gesagt?«
»Weil es der Fall ist. Ihre Aussichten sind gleich null.«
»Ich kenne jemand, der es geschafft hat.«
»Aber nicht ins Polizeigebäude.«
»Genau dort.«
Verdammt, dachte Kjell. Hulda hatte es bis in den sechsten Stock geschafft. Hampus hatte von Ardelius und seinem Frauenzirkel gewusst. Auch den Artikel musste er kennen. Hulda war in Elins Wohnung gewesen. Hulda und Hampus waren kopfüber nach Island abgehauen. Nicht abgehauen, sie waren geflohen.
Tholanders Telefon klingelte. Das Gespräch dauerte nicht lang. »Jemand ist ins Haus gekommen, der nicht hierhergehört. Er hat zu uns hinaufgesehen.«
»Sofi?«
»Ein Mann. Er trägt einen Hut.«
»Einen Hut?«
»Entspricht dem Phantombild, das ihr über ganz Schweden verbreitet habt.«
Sie starrten sich entsetzt an, vereint in einem gemeinsamen Gedanken: Ardelius war tot. Aber im Treppenhaus stand ein Mann mit Hut.
»Mein Agent sichert den Hauseingang«, flüsterte Tholander.
Sie schlichen zur Tür. Kjell legte sein Ohr auf das Holz. Schritte hallten durch das Treppenhaus. Sie näherten sich, waren aber nicht zu lokalisieren.
»Er ist irgendwo stehen geblieben«, flüsterte Kjell und schob Tholander aus dem Flur zurück ins Zimmer. Beide zogen ihre Waffen. Kjell lehnte sich an die linke Wand, Tholander an die rechte. So verharrten sie und horchten. Nichts rührte sich. Tholander warf Kjell einen fragenden Blick zu. Der hob die
Schultern. Tholander prüfte sein Telefon, aber es war keine Nachricht eingegangen. Der Mann musste noch im Haus sein. Wo ist der hin, überlegte Kjell. Er hatte keine Wohnungstür gehört, und einen Aufzug gab es nicht. Vielleicht war er umgekehrt.
Er muss in eine der Wohnungen verschwunden sein, schloss Kjell nach einer Ewigkeit und riss die Tür auf. Der Mann stand nur einen Fußbreit vor ihm.
90
Jesus, dachte Henning, links war das Meer, rechts war das Meer. Und wenn das Meer hier einmal anfing, hörte es so bald nicht mehr auf. Deshalb zwang er seinen Blick geradeaus, wo der Wind den Schnee wie einen weißen Teppich über die Fahrbahn zog. Der kleine Wagen aus Japan, in dem Henning saß, wurde hin und her gerüttelt. Einmal hüpfte er weit zum Stra- ßenrand. Ohne sein Gewicht hätte Snæfríður den Wagen nicht
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