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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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fremde Schriftzeichen. Das konnte ich nicht lesen.«
    »Glaubst du, du könntest es zeichnen, was du da gesehen hast?«
    Sie schüttelte erneut den Kopf. »Ich habe es nur ganz kurz gesehen«, sagte sie. »Jimmys Vater hätte uns eine gehörige Tracht Prügel verpasst, wenn er uns erwischt hätte.« Plötzlich hatte sie Tränen in den Augen. »Kommen jetzt die Dämonen, um mich zu holen, weil ich das gesehen habe?«
    Ich schüttelte den Kopf, aber sie brach trotzdem in Tränen aus. »Ich habe solche Angst, seit das mit den Mauthens passiert ist«, schluchzte sie. »Ich habe so schlimme Träume. Ich weiß, dass sie kommen werden, um mich zu holen.«
    Ich setzte mich neben sie aufs Bett und legte tröstend einen Arm um sie. »Dir wird nichts geschehen. Gar nichts.«
    Sie sah mich an. Sie weinte zwar nicht mehr, aber in ihren Augen sah ich, dass sie immer noch schreckliche Angst hatte. Auchmit noch so viel freundlichem Zureden würde ich sie nicht beruhigen können.
    Ich stand auf und ging zu meinem Umhang. »Ich möchte dir etwas schenken«, sagte ich und griff in eine der vielen Taschen. Ich zog ein Bauteil für eine Sympathielampe hervor, an der ich im Handwerkszentrum gearbeitet hatte, eine glänzende Metallscheibe, die auf einer Seite kunstvoll mit sygaldrischen Zeichen verziert war.
    Ich brachte es ihr. »Diesen Talisman habe ich aus Veloran. Das ist weit weg, noch hinter dem Stormwall-Gebirge. Es ist der beste Talisman gegen Dämonen, den es gibt.« Ich nahm ihre Hand und legte ihn hinein.
    Nina betrachtete den Talisman und sah dann wieder mich an. »Aber braucht Ihr den nicht selbst?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe andere Mittel, um mich zu schützen.«
    Sie schloss fest die Hand darum, und Tränen liefen ihr über die Wangen. »Oh, vielen, vielen Dank. Den werde ich jetzt immer bei mir haben.« Ihre Handknöchel waren ganz weiß vom Festhalten.
    Sie würde ihn verlieren. Nicht bald, aber in einem Jahr oder in zwei oder zehn. Das war nur menschlich. Und wenn das geschah, würde sie schlimmer dran sein als zuvor.
    »Das ist nicht nötig«, sagte ich. »Komm, ich zeige dir, wie es geht.« Ich nahm ihre Hand, die das Metallstück umklammert hielt, und legte meine Hand darum. »Mach die Augen zu.«
    Nina schloss die Augen, und ich rezitierte langsam die ersten zehn Verse aus Ve Valora Sartane . Das war natürlich nicht sehr passend, aber etwas Besseres fiel mir in dem Moment nicht ein. Tema ist eine Sprache mit einem beeindruckenden Klang, zumal wenn man einen so schönen, dramatischen Bariton hat wie ich.
    Als ich geendet hatte, öffnete sie die Augen. Sie waren von Staunen erfüllt, nicht mehr von Tränen.
    »Jetzt ist er auf dich eingerichtet«, sagte ich. »Jetzt wird er dich, ganz egal, wo er gerade ist, immer beschützen. Jetzt könntest du ihn sogar zerbrechen oder einschmelzen – der Schutz des Talismans würde immer noch wirken.«
    Sie schlang die Arme um mich und küsste mich auf die Wange.Dann wurde sie rot und stand schnell auf. Ihr Gesicht war nun nicht mehr blass und vergrämt, und ihre Augen strahlten. Bis dahin war mir gar nicht aufgefallen, wie hübsch sie eigentlich war.
    Bald darauf ging sie, und ich saß noch eine Zeitlang auf meinem Bett und dachte nach.
    Innerhalb eines Monats hatte ich eine Frau aus einer Flammenhölle gerettet. Ich hatte Blitze auf zwei Mordgesellen herabbeschworen und war ihnen entkommen. Und ich hatte ein Wesen getötet, das entweder ein Drache oder ein Dämon war, je nachdem, welchen Standpunkt man einnahm.
    Doch dort in diesem Zimmer kam ich mir zum ersten Mal tatsächlich ein wenig wie ein Held vor. Wenn ihr nach einem Grund dafür sucht, dass ich der Mann wurde, der ich bin, wenn ihr nach einem Anfang sucht, dann sucht dort.

Kapitel 83
    Rückkehr

    A n diesem Abend packte ich meine Sachen zusammen und ging hinunter in den Schankraum. Die Leute beobachteten mich und tuschelten aufgeregt. Ich schnappte ein paar Bemerkungen auf, als ich zum Tresen ging, und da ging mir auf, dass die meisten von ihnen mich am Vortag fast völlig bandagiert gesehen hatten und von schrecklichen Verletzungen unter diesen Verbänden ausgegangen waren. Heute waren die Verbände weg, und sie konnten an mir weiter nichts als ein paar Kratzer sehen. Ein weiteres Wunder. Ich verkniff mir ein Lächeln.
    Der mürrische Wirt bestand darauf, mir nichts in Rechnung zu stellen, da ja die ganze Stadt tief in meiner Schuld stehe und so weiter. Ich wollte darauf bestehen zu zahlen. Nein, nein,

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