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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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wussten, dass Perialnicht verheiratet war. Und während unehelich geborene Kinder damals keine Seltenheit waren, hatte keiner je von einem Kind gehört, das binnen zweier Monate zum Manne heranwuchs. Die Furcht ging um, sie habe sich mit einem Dämon eingelassen und nun ein Dämonenkind zur Welt gebracht. So etwas kam in jenen dunklen Zeiten durchaus vor.
    Also sammelten sie sich am ersten Tag der siebenten Spanne und gingen gemeinsam zu dem kleinen Haus, in dem Perial mit ihrem Sohn lebte. Der Dorfschmied, Rengen genannt, führte sie an. »Zeig uns den Jungen!«, rief er. Doch aus dem Haus kam keine Antwort. »Bring den Jungen heraus, und zeig uns, dass er weiter nichts als ein Menschenkind ist.«
    Im Haus blieb es still, und obwohl viele Männer unter ihnen waren, wollte doch keiner ein Haus betreten, in dem sich womöglich ein Dämonenkind aufhielt. Also rief der Schmied noch einmal: »Perial, bring den kleinen Menda heraus, oder wir brennen dein Haus nieder!«
    Die Tür ging auf, und ein Mann trat heraus. Keiner der Anwesenden erkannte ihn, denn obwohl er gerade einmal seit sieben Spannen auf der Welt war, sah Menda doch schon aus wie ein junger Mann von siebzehn Jahren. Er stand aufrecht da, hatte rabenschwarzes Haar und schwarze Augen. »Ich bin der, von dem ihr glaubt, dass er Menda sei«, sagte er mit kraftvoller, tiefer Stimme. »Was wollt ihr von mir?«
    Als sie diese Stimme hörte, verschlug es Perial drinnen den Atem. Es war nicht nur das erste Mal, dass Menda etwas gesagt hatte, sondern Perial erkannte die Stimme auch als diejenige, die Monate zuvor im Traum zu ihr gesprochen hatte.
    »Was soll das heißen – von dem wir glauben, dass er Menda sei?«, fragte der Schmied und packte seinen Hammer fester. Er wusste, dass es Dämonen gab, die wie Menschen aussahen oder Menschenhaut wie ein Kostüm trugen – so wie sich ein Mensch unter einem Schafspelz verbirgt.
    Das Kind, das kein Kind war, sprach: »Ich bin Perials Sohn, aber ich bin nicht Menda. Und ich bin auch kein Dämon.«
    »Dann lege deine Hand auf das Eisen meines Hammers«, sagteRengen, denn er wusste, dass alle Dämonen zweierlei fürchteten: Kaltes Eisen und reines Feuer. Er reckte seinen schweren Schmiedehammer vor. Ihm zitterten die Hände, doch niemand dachte deshalb schlecht von ihm.
    Der, der nicht Menda war, trat vor und legte beide Hände um den eisernen Hammerkopf. Nichts geschah. Perial, die von der Haustür aus zusah, brach in Tränen aus, denn obschon sie Tehlu vertraute, sorgte sie sich als Mutter doch um ihren Sohn.
    »Ich bin nicht Menda, auch wenn mich meine Mutter so genannt hat. Ich bin Tehlu, der Herr. Ich bin gekommen, um euch von den Dämonen zu befreien – und von der Bosheit in euren Herzen. Ich bin Tehlu, mein eigener Sohn. Lasset die Bösen meine Stimme hören und darüber erzittern.«
    Und sie erzitterten. Doch einige weigerten sich, ihm zu glauben. Sie beschimpften ihn als Dämon und drohten ihm. Einige warfen Steine nach ihm und spuckten vor ihm und seiner Mutter aus.
    Da wurde Tehlu sehr zornig, und er hätte sie alle zerschmettert, hätte Perial ihn nicht zurückgehalten. »Was erwartest du?«, fragte sie ihn leise. »Was erwartest du von Menschen, die Dämonen zu Nachbarn haben? Selbst der bravste Hund beißt, wenn er oft genug getreten wird.«
    Tehlu dachte darüber nach und sah ein, dass sie recht hatte. Also blickte er zu Rengen hinüber, sah ihm tief ins Herz hinein und sagte: »Rengen, du hast eine Mätresse, die du dafür bezahlst, dass sie mit dir schläft. Und manche der Männer, die in deine Schmiede kommen, betrügst oder bestiehlst du. Und obwohl du laut betest, glaubst du nicht, dass ich, Tehlu, die Welt erschaffen habe und über alle wache, die darin leben.«
    Als Rengen das hörte, wurde er kreidebleich und ließ seinen Hammer zu Boden fallen. Denn was ihm Tehlu da gesagt hatte, entsprach der Wahrheit. Und Tehlu sah auch die anderen Männer und Frauen an. Er schaute in ihre Herzen und sprach aus, was er dort sah. Sie alle waren böse, und zwar so böse, dass Rengen noch der Tugendhafteste unter ihnen war.
    Dann zog Tehlu auf der unbefestigten Straße zwischen sich und denen, die gekommen waren, einen Strich. »Diese Straße gleicht demsich dahinschlängelnden Lauf eines Lebens. Und es gibt zwei Wege, die man darauf einschlagen kann, und sie verlaufen Seite an Seite. Ihr alle wandelt auf jener Seite. Ihr müsst euch nun entscheiden. Entweder ihr wandelt weiter auf eurem Weg, oder ihr kommt

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