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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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die Welt erschaffen hat und Herr über alles ist, ließ seinen Blick über die Menschenwelt schweifen. Er sah, dass die Dämonen Jagd auf uns machten und uns hinschlachteten und unsere Leichname fraßen. Einige Menschen rettete er, aber nur wenige.Denn Tehlu ist gerecht und rettet nur diejenigen, die es wert sind, und in jenen Zeiten taten nur wenige Menschen Gutes, und schon gar nicht für andere.
    Tehlu grämte das sehr. Denn er hatte die Welt erschaffen, auf dass die Menschen darin ein schönes Leben führen könnten. Aber seine Kirche war verdorben. Sie nahm von den Armen und hielt sich nicht an die Gesetze, die er aufgestellt hatte.
    Nein, Moment mal. Es gab damals noch gar keine Kirche und auch noch gar keine Priester. Es gab nur Männer und Frauen, und manche von denen wussten, wer Tehlu war. Doch selbst diese waren böse, so dass Tehlu, als sie ihn um Hilfe anriefen, keinerlei Neigung verspürte, ihnen zu helfen.
    Doch nachdem Tehlu das alles jahrelang mit angesehen hatte, erblickte er eine Frau, die reinen Herzens und rein im Geiste war. Sie hieß Perial. Ihre Mutter hatte sie in dem Wissen um Tehlu erzogen, und sie huldigte ihm, so gut ihre bescheidenen Lebensumstände es erlaubten. Und obwohl sie ein hartes Leben führte, betete Perial stets nur für andere, nie für sich selbst.
    Tehlu sah ihr viele Jahre lang zu. Er sah, dass sie ein hartes Leben führte, ein Leben voller Schicksalsschläge, gepeinigt von Dämonen und bösen Menschen. Dennoch fluchte sie nie auf ihn und hörte auch nie auf zu beten, und sie behandelte jedermann stets mit Freundlichkeit und Respekt.
    Und so erschien Tehlu ihr eines Nachts im Traum. Er stand vor ihr und schien ganz aus Feuer oder Sonnenschein zu bestehen. In all seiner Pracht ging er zu ihr und fragte sie, ob sie wisse, wer er sei.
    »Aber gewiss doch«, sagte sie. Versteht ihr, sie blieb ganz ruhig, denn sie glaubte zu träumen. »Ihr seid Tehlu, der Herr.«
    Er nickte und fragte, ob sie wisse, warum er zu ihr gekommen sei.
    »Werdet Ihr meiner Nachbarin Deborah beistehen?«, fragte sie. Denn sie war es, für die Perial allabendlich ihr Nachtgebet gesprochen hatte. »Werdet Ihr aus ihrem Mann Losel einen besseren Menschen machen? Denn es ist nicht recht, wie er sie behandelt.«
    Tehlu kannte ihre Nachbarn. Er wusste, dass es böse Menschen waren, die böse Dinge getan hatten. In diesem Dorf waren alle böse – nur Perial nicht. Auf der ganzen Welt war es so. Und das sagte er ihr.
    »Deborah war immer gut zu mir«, sagte Perial. »Und Losel ist doch immerhin mein Nachbar.«
    Tehlu sagte ihr, dass Deborah zu vielen Männern ins Bett gestiegen sei und Losel sich tagtäglich betrinke, sogar an Mourning. Nein, stimmt nicht – Mourning gab es ja noch gar nicht. Aber er trank jedenfalls sehr viel. Und manchmal wurde er so wütend, dass er seine Frau schlug, bis sie wimmernd in der Ecke lag.
    Perial schwieg eine ganze Weile. Sie wusste, dass Tehlu die Wahrheit sprach. Perial war zwar reinen Herzens, aber sie war nicht dumm. Sie hatte schon vermutet, dass ihre Nachbarn das taten, wovon Tehlu berichtete. Doch selbst da sie es nun mit Sicherheit wusste, sorgte sie sich um ihre Nachbarn. »Ihr werdet ihnen nicht helfen?«
    Tehlu sagte, der Mann und sein Weib seien einander die gerechte Strafe. Sie seien böse Menschen, und böse Menschen gehörten bestraft.
    »Ich glaube, Ihr wisst nicht, wie es ist, ein Mensch zu sein«, sagte Perial. »Ich würde den beiden trotzdem helfen, wenn ich könnte«, fügte sie mit Bestimmtheit hinzu.
    Da legte ihr Tehlu eine Hand aufs Herz. Und als er sie berührte, fühlte sie sich, als wäre sie eine große goldene Glocke, die gerade zum allerersten Mal erklang. Sie schlug die Augen auf und wusste, dass es kein gewöhnlicher Traum gewesen war.
    Und daher war sie nicht erstaunt, als sie feststellte, dass sie schwanger war. Drei Monate später brachte sie einen kerngesunden dunkeläugigen Jungen zur Welt. Sie nannte ihn Menda. Einen Tag nach seiner Geburt konnte Menda bereits krabbeln. Und zwei Tage nach seiner Geburt konnte er schon gehen. Perial war erstaunt, aber nicht besorgt, denn sie wusste, dass dieses Kind ein Geschenk Gottes war.
    Doch weil Perial klug war, wusste sie, dass die Menschen das nicht verstehen würden. Und so behielt sie Menda strikt bei sich, und wenn Freunde oder Nachbarn zu Besuch kamen, schickte sie sie wieder fort.
    Das konnte jedoch nicht lange gut gehen, denn in einer kleinen Ortschaft gibt es keine Geheimnisse. Die Leute

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