Der Narr und der Tod
kein Kind großziehen, er kann es nicht, und er will sie noch nicht einmal heiraten. Aber dann bekam er einen Anfall, als wir den Schwangerschaftsabbruch vornehmen ließen, woraufhin sie wochenlang nur heulte. Er hatte eine Verwendung für das Baby, aber nicht für Therese – sie hat seitdem nichts mehr von ihm gehört oder gesehen.“
Nach dieser Geschichte sah ich Rory in einem anderen Licht. Statt nur ein passiver Komplize bei einem Vorhaben zu sein, das uns immer noch nicht ganz klar war, hatte er eigene Pläne geschmiedet. Nicht besonders effektiv, da Karl die Situation auf seine Weise geklärt hatte und unserem Rory sowieso in jeder Hinsicht überlegen war, aber ...
Ich hatte es satt, hier herumzusitzen und zu überlegen, was in den letzten Monaten in diesem Bauernhaus vor sich gegangen sein könnte.
„Ich fahre mal ein bisschen durch die Gegend“, verkündete ich unvermittelt.
„Du willst dich bei diesem Wetter ins Auto setzen?“ Martin schien das unglaublich zu finden, und das genügte mir: Ich griff nach Schal und Mantel. Man hatte mich in diese Angelegenheit hineingezogen, ohne mich zu fragen. Martin hatte mich nach Ohio verschleppt und überstimmt, was das Zurückbringen Rorys nach Corinth anging, die gesamte Pflege des Babys blieb an mir hängen, ich wurde zum Umgang mit Martins Exfrau gezwungen ... ich bekam einen heftigen Wutanfall, geboren aus einer Mischung aus Selbstmitleid und echtem Groll.
„Genau, ich will mich bei diesem Wetter ins Auto setzen“, entgegnete ich knapp.
Obwohl mir der Rest meines gesunden Menschenverstands dringend dazu riet, im Haus zu bleiben, nahm ich die Autoschlüssel vom Küchentresen und die Handtasche vom Tisch und ließ mich von meiner Wut hinaus zum Jeep tragen. Ich schloss die Tür auf, kletterte in den Wagen und ließ den Motor an.
Es wäre mir recht geschehen, hätte sich der Motor geweigert anzuspringen oder wäre ich beim Versuch, auf die Landstraße zu gelangen, in die Felder abgerutscht. Ich war selbst verwundert, als ich unbeschadet an der Route 8 ankam. Am Ende unserer Auffahrt blieb ich kurz stehen, um einen Blick auf die Straßenkarte zu werfen, die ich im Handschuhfach gefunden hatte.
Es war Nachmittag, bald würde der graue Himmel die nächste Ladung Schnee verlieren. Warum war ich nicht die bezaubernde Jeannie? Dann hätte ich nur mit der Nase zu wackeln brauchen, die Männer in der Küche wären verschwunden, und ich hätte wieder zurückfahren können, ohne das Gesicht zu verlieren.
Aber ich bog am Ende der Auffahrt rechts ab, um die winzige Stadt Bushmill anzusteuern.
Bobbye Sundays Praxis ließ sich leicht finden. Sie befand sich in einem Häuschen, dessen Dach sich unter dem frisch gefallenen Schnee schwarz, verkohlt und teilweise eingestürzt präsentierte. Der dahinterstehende Caravan wirkte nicht beschädigt, machte aber einen unbewohnten Eindruck, da der umliegende Schnee unberührt war.
Trotz der äußerst effizienten Heizung des Jeeps fror ich hinter den beschlagenen Autofenstern.
Der nächste Laden war mit einem Menschen bemannt – ich benutze diesen Begriff sehr weit gefasst, denn es handelte sich um einen pickligen Teenager mit Mittelscheitel und kinnlangem Haar. Die Frisur stand dem Burschen nicht, fand ich, was aber daran liegen mochte, dass ich alt war und mich mit jeder Minute älter fühlte.
Ich strahlte ihn an. „Können Sie mir sagen, was mit der Praxis unten an der Straße passiert ist?“
„Mit welcher?“, fragte er teilnahmslos.
Nein, ich würde ihn nicht anfauchen. Ich wollte nicht schreien, nicht kreischen und nicht zischen. „Mit der abgebrannten.“
„Die ist abgebrannt.“ Der Junge grinste. Da hatte er es der alten Dame aber gegeben, was? Ob er immer noch feixen würde, wenn ich ihn in die Eier trat? Jetzt nur keine Überreaktion. Ich holte tief Luft.
„Wann ist sie denn abgebrannt? Ist jemand zu Schaden gekommen?“
Wenigstens schien er sich nicht zu fragen, warum ich das wissen wollte. „Das ist vor ein oder zwei Tagen passiert. Die Polizei meint, jemand sei gegen Mitternacht eingebrochen. Hat wohl ein paar Rechner gestohlen und Feuer gelegt. Ich wette, die hatte Schmerzmittel und so da drin, das kann man hier in der Gegend gut verkaufen.“ Er schenkte mir ein weiteres pickliges Grienen. Ich konnte mir gut vorstellen, dass Schmerzmittel in dieser Gegend en vogue waren. Gerne hätte ich dem Knaben selbst ein paar Schmerzen bereitet.
„Aber Miss Sunday geht es gut?“
„Ja. Die war daheim,
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