Der Nautilus-Plan
sicher auf ihn warteten.
Der Radfahrer fuhr ein Stück die Straße hinunter und bog dann in eine Durchfahrt, in der neben einem eleganten schwarzen Citroën ein Mann in einem maßgeschneiderten Anzug wartete. Der Motor des Citroën lief, und in der Durchfahrt stank es nach seinen Auspuffgasen.
Der Junge sprang von seinem Fahrrad. »Haben Sie das gesehen?«, fragte er mit gewohntem Selbstbewusstsein. Er hielt sich für einen glänzenden Schauspieler. Bisher hatte er nur in zwei kleinen Provinztheatern gespielt, aber eines Tages würde er berühmter sein als Jean-Paul Belmondo oder Gérard Depardieu oder sogar Tom Cruise. So viel Geld wie bei seinem heutigen kleinen Auftrag hatte ihm sein schauspielerisches Talent allerdings noch nie eingebracht. Er war nämlich auch ein kleiner Dieb und Ganove, aber damit wäre bald Schluss.
»Ich hab’s gesehen, Etienne«, bestätigte ihm Gino Malko, während er sich fragte, wer der Fahrer des Peugeot war.
Zum ersten Mal war Malko dem Mann mit Terrill Leaming in Zürich über den Weg gelaufen. Vor weniger als einer Stunde hatte er ihn auf dem Balkon des Château entdeckt und ihn dann den Renault vom Angestelltenparkplatz stehlen sehen. Das alles waren für Gino Malkos Geschmack eindeutig zu viele Zufälle, aber im Château hatte er nichts gegen den Mann unternehmen können. Dort war er zu sehr damit beschäftigt gewesen, den Butler aus dem Weg zu räumen und dann seinen Boss schnellstmöglich vom Landsitz des Barons zu schaffen, was ihm nur mithilfe einer hohen Summe Bargeld gelungen war. Deshalb hatte er, als sie dem gestohlenen Renault ins Dorf folgten, mit seinem Handy kurz einen Anruf gemacht, um den Einsatz des Radfahrers zu veranlassen. Danach hatte er mit seinem Citroën den Renault überholt, um rechtzeitig ins Dorf zu kommen und dem Radfahrer die Zielperson zu zeigen.
Malko ging an Etienne vorbei zur Mündung der Durchfahrt und spähte vorsichtig auf die belebte Straße hinaus.
Neugierig fragte Etienne: »Warum sollte ich eigentlich diesen Magneten unter seinem Auto befestigen? Sie werden ihn doch nicht in die Luft jagen, oder?«
Malko antwortete nicht. Nachdem er sich überzeugt hatte, dass niemand dem jungen Burschen gefolgt war, machte er auf dem Absatz kehrt, ging direkt auf ihn zu und schlug dem nichts ahnenden Jungen mit der Handkante mit voller Wucht unters Kinn.
Sein Kopf zuckte zurück, seine Wirbelsäule knackte. Der Junge flog rückwärts gegen sein Fahrrad. Bevor er und das Rad auf dem Pflaster aufschlugen, hatte Malko bereits sein Stilett in der Hand. Es war dasselbe, mit dem er vor weniger als einer Stunde den Butler getötet hatte, der als Einziger den Baron hatte bedienen dürfen, als dieser mit Malkos Boss gegessen hatte.
Malko fuhr mit der Spitze des Stiletts über das Lycra-Hemd des bewusstlosen Jugendlichen, bis er die richtige Stelle zwischen seinen Rippen gefunden hatte. Dann stieß er die Klinge mit einer kraftvollen, flüssigen Bewegung nach oben in sein Herz. Es trat kaum Blut aus. Erst als er das Stilett herauszog, begann es heftig zu spritzen. Aber in diesem Moment war Malkos Hand bereits weg. Kein Tropfen berührte ihn.
Er wischte das Messer am Hemd des Jungen ab und steckte es in die Scheide an seinem Unterarm zurück. Dann zog er die Leiche und das Fahrrad auf die Seite und nahm die Euros an sich, die der Fremde dem Jungen gegeben hatte. Die Unfallzeugen würden sich daran erinnern, dass der Junge Geld erhalten hatte, und man würde den Mord auf einen Raubüberfall zurückführen.
Malko blickte sich ein letztes Mal um, bevor er zufrieden in den Citroën stieg. Kurz darauf glitt die elegante Limousine, ihre getönten Scheiben wie schwarze Löcher im Sonnenschein, auf das andere Ende der Durchfahrt zu. Niemand konnte Malkos Boss sehen. Niemand konnte Malko sehen.
EINUNDZWANZIG
Paris
Liz stand mit dem Handy, das Mac ihr gegeben hatte, in ihrem Hotelzimmer. Trotz aller Wut herrschte in ihrem Kopf eine neue diamantene Klarheit. Sie sah auf die Uhr. Sie musste sich beeilen. Von der Stunde, die die Frau ihr eingeräumt hatte, waren nur noch vierzig Minuten übrig. Sie ging noch einmal alles durch, was sie inzwischen in Erfahrung gebracht hatte.
Seit ihrem »zweiten Debriefing« war ihr ganzes Leben so authentisch erschienen, dass es in dieser Glaubhaftigkeit eigentlich nur die CIA inszeniert haben konnte. Als jetzt ihr besorgter Blick auf der Schranktür haften blieb, überkam sie heftiger Ärger darüber, wie leicht sie sich von Mac
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